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Das Wispern der Schatten - Roman

Das Wispern der Schatten - Roman

Titel: Das Wispern der Schatten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam J Dalton
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Allerdings hast du Gelegenheit, das wiedergutzumachen, wenn du bereust und dich mir willig ergibst. Sag mir, dass du dir Erlösung wünschst.«
    Es war immer leichter, jemanden zu ziehen, wenn er willens war. Azual konnte natürlich jeden Widerstand, den die Leute leisteten, brechen, aber das verlangte ihm gewöhnlich fast so viel Energie ab, wie er aus ihnen gewann, sodass es mehr oder minder Zeitverschwendung war. Gewiss, auch in dem Fall wurde ein Leben geopfert, aber diese Verbrecher hatten gezeigt, dass es ihnen an Glauben fehlte, also ging es dem Volk ohne sie besser. Es war, als würde man ein verwachsen geborenes Tier aus einer Herde oder einem Viehbestand aussondern. Solche Geschöpfe waren ohnehin im Allgemeinen kurzlebig, welche Rolle spielte es also, ob sie jetzt oder ein wenig später starben?
    Der Verbrecher– dessen Gesicht jünger und engelsgleicher war als alle anderen, die Azual heute gesehen hatte– stand nun direkt vor ihm und blickte erwartungsvoll zu ihm auf. Hatte er gesprochen?
    » Was?«, blaffte Azual.
    » Heiliger, vergebt mir, aber ich habe gesagt, dass ich kein Verbrechen begangen habe. Der Bäcker hat behauptet, ich hätte das Brot gestohlen, aber das habe ich nicht getan, ehrlich.«
    » Ob du es nun getan hast oder nicht«, knurrte der Heilige gereizt, » es kann kein Zweifel daran bestehen, dass du Gedanken ans Stehlen gehegt hast, neidische Gedanken, etwas besitzen zu wollen, das dir nicht zustand. Das kannst du nicht abstreiten.«
    Tränen traten in die Augenwinkel des jungen Mannes. » Es ist wahr, Heiliger. Ich habe darüber nachgedacht, wie es wohl wäre, Gebäckstücke zu haben, die meine Familie sich nicht leisten kann. Es ist schwer, wenn der Bäcker all seine Waren zur Schau stellt– nicht, dass ich mich herausreden wollte! Aber bei dem Geruch läuft mir das Wasser im Munde zusammen, und ich… ich… bin schwach! Aber nur in Gedanken– ich habe noch nie etwas gestohlen! Heiliger, ich bereue, ich bereue wirklich! Ich ergebe mich Euch willig und sehne mich nach Erlösung.«
    » Gut. Ich werde deine Seele reinigen.« Azual packte den jungen Mann am Hals, um ihn still zu halten, und rammte ihm dann sein Zapfröhrchen aus Sonnenmetall in die Drosselvene. Blut spritze aus dem Ende der Röhre in Azuals Mund. Der Heilige wühlte die Überreste des magisch getränkten Bluts auf, das in dem jungen Mann dank seiner ursprünglichen Ziehung vor mehreren Jahren noch immer vorhanden war. Azual rief danach, und es kam und trug die Lebensenergie des jungen Mannes mit sich.
    Azual trank und trank. Ah! So stark, so kräftig! Der Blutfluss minderte sich schließlich zu einem Rinnsal und dann einem Tröpfeln. Azual wischte sich das Kinn ab und ließ den leeren Körper des jungen Mannes zu Boden fallen. Er spürte eine Aufwallung von Ekel bei dem Helden, entschloss sich aber, dem Zuschauer sein mangelndes Verständnis nachzusehen.
    Azual raffte die Macht zusammen, von der er fast überquoll, und richtete sie auf seine zerstörten Augen. Er verlangte ihre Wiederherstellung, aber seine Magie brandete nur um seine Augen herum, ohne sie in irgendeiner Form zu verändern. Er strengte sich an und schrie frustriert auf, denn er konnte keine neuen Nerven oder neues Fleisch erschaffen, ganz gleich, wie sehr er sich abmühte. Eine Stimme in ihm flüsterte, dass die Magie, die er aus dem Volk gezogen hatte, vom Chaos verderbt und deshalb nur zur Zerstörung fähig sei, aber das wollte er nicht hören. Es musste eine Möglichkeit geben. Er war einfach noch nicht mächtig genug.
    Er stieg aus den Bestrafungskammern herauf und trat in die heulenden Winde hinaus, die Hyvans Kreuz und seine ungewöhnlichen Sandsteinformationen ständig umtosten. Er rief geistig nach Hauptmann Skathis und befahl ihm, zum Tempel auf dem höchsten Punkt des wie gemeißelt wirkenden Felssporns zu kommen, auf dem die Stadt errichtet war. Azual hatte den Ort vor mehreren Hundert Jahren von den Heiden erobert und sich in dem uralten Tempel eingerichtet. Wie die meisten anderen ursprünglichen Gebäude war er in den weichen Fels hineingeschlagen worden. Es gab dort keine geraden Linien oder ebenen Flächen, weil die unbarmherzigen Winde den Fels zu glatten Rundungen und seltsam fließenden Formen schliffen. Es wäre nur recht und billig gewesen, wenn er diesen Ort heidnischer Kultausübung und Macht hätte niederreißen lassen, aber dem Tempel haftete etwas an, das ihn entspannte. Während der Wind in einem Großteil der Stadt toste

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