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Das Wispern der Schatten - Roman

Das Wispern der Schatten - Roman

Titel: Das Wispern der Schatten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam J Dalton
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falsch. Die Hohen Herrscher heißen uns nicht in der ewigen Welt willkommen, wenn wir nicht erst all unsere Arbeit für sie in dieser Welt getan haben. Erfülle deine Pflicht ihnen gegenüber, dann werden sie dich einst willkommen heißen. Sie werden dich zu sich rufen, wenn es an der Zeit ist. Es war an der Zeit für Norfred, aber es ist noch nicht an der Zeit für dich. Norfred wird auf dich warten und über dich wachen. Verstehst du?«
    Sie nickte schwerfällig. Die Rufe kamen näher. Der Zorn war ihnen deutlich anzuhören.
    » Was ist denn das jetzt für ein Aufruhr?«, fragte Muhme Widders gereizt. » Geben diese Männer denn nie Ruhe? Wir müssen um Norfred trauern, ihm die letzte Ehre erweisen und beten. Übersteigt es denn ihre Fähigkeiten, einmal friedlich zu sein?« Die Vorsteherin seufzte, berührte Freda am Arm und bat: » Freda, sei jetzt tapfer und sag mir, wie Norfred gestorben ist.«
    Freda trat von einem Fuß auf den anderen und schüttelte den Kopf. Sie wollte nicht an den schrecklichen Moment zurückdenken. Sie würde ihren lieben Norfred eines Tages wiedersehen, und das genügte ihr. Sie hätten sie jetzt in Ruhe lassen sollen. Warum konnten sie sie nicht einfach in Ruhe lassen?
    » Komm schon, meine Liebe. Bis auf den bodenlosen Abgrund gibt es keinen Ort, der tief oder dunkel genug wäre, sich vor den Hohen Herrschern zu verstecken. Ich muss wissen, ob du irgendetwas Schlimmes getan hast, Freda. Sag es mir jetzt schnell.«
    » Es war meine Schuld!«, stieß sie erstickt hervor. » Ich wollte nicht mehr arbeiten, und deshalb haben Norfred und Darus sich gestritten. Ich weiß, dass ich tun soll, was der Steiger sagt. Aber er hat meinem Norfred wehgetan, also habe ich ihm auch wehgetan. Es tut mir leid! Ich wollte es nicht!«
    » Psst«, machte die Vorsteherin und tätschelte Freda. Ihr Gesicht wurde streng. » Darus hat Norfred also wehgetan?«
    Freda nickte bekümmert.
    Stimmen ertönten ringsum, als eine große Gruppe Bergarbeiter mit brennenden Fackeln um die Kurve des Tunnels stürmte, der in die Kammer der Frauen führte. Das Licht blendete Fredas Augen, und sie war gezwungen, sich abzuwenden.
    » Die Missgeburt hat den alten Mann umgebracht und auch noch den guten Sol getötet! Sie muss dafür bezahlen!«
    » Der Felsaussatz hat sie zum tollwütigen Tier gemacht. Sie muss getötet werden, bevor sie uns andere ins Verderben reißen kann!«
    » Oder bevor sie uns anstecken kann!«
    Muhme Widders straffte die Schultern, hob das Kinn und stellte sich der Meute in den Weg. Sie starrte die Männer an, und sie gerieten vor ihr ins Stocken.
    » Wie könnt ihr es wagen!«, schrie sie die Bergleute an und wies mit einem Finger anklagend auf Darus. » Du! Warum hast du Norfreds Leichnam nicht hergebracht, damit wir uns um ihn kümmern? Du warst wohl zu beschäftigt damit, deine Bande aufzuhetzen, was?«
    » Es muss Gerechtigkeit geübt werden«, antwortete der Steiger selbstzufrieden. » Und wir sollten uns rasch um diese Gerechtigkeit kümmern, sonst erweisen wir dem Andenken an Norfred einen Bärendienst. Stimmt’s, Männer?«
    » Jaaa!«, brüllte die wütende Meute hinter ihm einstimmig.
    » Es steht das Wort eines Menschen gegen das eines anderen«, sagte Muhme Widders kopfschüttelnd. » Steiger oder nicht, Mann oder Frau, wenn es zum Prozess kommt, hat das Wort eines Bergarbeiters so viel Gewicht wie das jedes anderen.«
    Aber Darus hatte sich seine Stellung durch Gerissenheit erkämpft und hatte nicht vor, seiner Meute von dieser Frau den Schneid abkaufen zu lassen. » Das Wort eines Menschen, sagt sie! Das Wort einer Frau! Aber ich frage euch eines, Männer: Ist diese Missgeburt das Kind irgendeines Mannes oder einer Frau? Ihr habt doch gesehen, wie das Ungeheuer durch Wände geht! Das ist nicht natürlich! Ist es natürlich? Antwortet mir! Ist es natürlich?«
    » Neeeiiin!«
    » Tritt beiseite, Weib, sonst schaffe ich dich aus dem Weg!«, rief Darus über das Getöse hinweg und trat zielstrebig vor.
    Freda geriet in Panik, als sie ihn diesen Schritt tun sah. Genauso war er vorgetreten, als er Norfred niedergeschlagen hatte. Sie konnte nicht zulassen, dass er das Gleiche Muhme Widders antat– würde es nicht zulassen!
    Freda stieß ein Wutgeheul aus und stürzte sich auf die Menge. Wie sehr sie die anderen jetzt hasste!
    » Freda, nein!«, schrie Muhme Widders, aber sie war schon längst von Bergleuten beiseitegestoßen worden, die darauf erpicht waren, über die Kreatur herzufallen, die

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