Das Wispern der Schatten - Roman
sie für eine Mörderin hielten.
Freda prallte mit ihnen zusammen und stieß sofort zwei vierschrötige Männer zu Boden. Sie hämmerte mit den Fäusten auf Oberkörper ein, brach Genicke und zerschmetterte Rippen. Die Spitze einer Hacke ging auf ihren Hinterkopf nieder, und sie stolperte und wurde für einen Moment langsamer. Eine flammende Fackel wurde ihr ins Gesicht gerammt, und sie war geblendet. Hiebe prasselten von allen Seiten auf sie ein, und sie gewann das Gleichgewicht nicht zurück. Sie wurde auf ein Knie gezwungen und musste sich den Kopf mit den Armen beschirmen, um für einen Augenblick eine Atempause zu finden.
Sie war in Versuchung, aufzugeben und einzugestehen, dass es ihre Faulheit war, die Norfred das Leben gekostet hatte. Vielleicht hatte sie es verdient, bestraft zu werden. Vielleicht würde dann alles aufhören, all die Angst und Trauer, all der Schmerz und die hässlichen Worte. Vielleicht würde sie dann selbst stillstehen und zu Stein und Fließschlamm werden. Vielleicht würde sie in den bodenlosen Abgrund geworfen werden und endlich ihren geliebten Norfred wiedersehen.
» Hört auf! Schande über euch! Ihr seid selbst nichts anderes als Mörder! Seht euch doch an! Der Aufseher wird davon erfahren!«, rief irgendjemand. War es Muhme Widders?
Aber Freda hatte Norfred versprochen, dass sie zur obersten Ebene des Bergwerks gehen und seinen Sohn suchen würde. Und Muhme Widders hatte gesagt, dass Norfred über sie wachte. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, ihn noch einmal zu enttäuschen.
Sie biss die Zähne so fest zusammen, dass etwas davon absplitterte, schoss wieder auf die Füße und schlug die nächststehenden Bergleute nieder. Einem weiteren Bergmann schmetterte sie die Hände von beiden Seiten an den Kopf und zermalmte ihm den Schädel. Blut spritzte in die Luft und besprenkelte Freda so reichlich, dass die rote Flüssigkeit ihr durch die Furchen ihres Gesichts in den Mund strömte. Es schmeckte gut und machte sie nur noch hungriger.
» Setzt eure Fackeln ein!«, schrie Darus. » Stürzt euch alle zugleich auf sie! Jetzt!«
Freda fegte alle beiseite und trampelte mit Wucht diejenigen nieder, die das Pech gehabt hatten, das Gleichgewicht zu verlieren.
Gebrüll und Schreie hallten dröhnend im Bergwerk wider, als wäre eine riesige Bestie entfesselt worden oder als würde alles zusammenbrechen. Leute begannen davonzulaufen, und Freda setzte ihnen nach.
Sie tappte Stollen entlang, durch die Wohnhöhle und dann zu der steilen Rampe nach oben, die sonst allein Darus und dem Sonnenmetall vorbehalten war. Die Lunge brannte ihr mittlerweile schmerzhaft, aber sie wurde nicht langsamer. Sie stürmte vorwärts und kümmerte sich nicht darum, dass Fetzen ihrer dicken Haut von Felsvorsprüngen weggerissen wurden.
» Was im Namen der Hohen Herrscher ist da unten los?«, rief eine tiefe Stimme von weiter oben. » Antworte mir.«
Freda knurrte und stürmte durch die Öffnung. Ein riesenhafter, bärtiger Mann zuckte vor ihr zurück und hob seinen mit funkelndem Sonnenmetall besetzten Speer in abwehrbereiter Haltung.
» Was denn, haben die Niederen Herrscher dieses Schreckenswesen aus ihrer Mitte vertrieben? Was hast du mit Steiger Darus angestellt, Dämon?«
Dann stürzte er sich kraftvoll mit der Waffe auf sie und rammte ihr den Speer durch die Schulter. Ihre Haut bot keinen Schutz gegen das schreckliche, brennende Metall, und sie schrie vor Schmerz und Angst. Die Bewegung der Sonnenmetallklinge hinterließ eine Energiespur in der Luft, die ihr Gesichtsfeld brennend durchschnitt. Dickes, schwarzes Blut quoll aus ihrer Wunde hervor und zischte, als es auf den Speer traf. Beißender Rauch stieg um sie auf, und es fiel ihr schwer zu atmen.
Der Aufseher riss seine Waffe zurück und setzte dazu an, sie erneut in Freda hineinzustoßen, aber sie wich zur Seite aus und ließ sich in den Felsen fallen, um Zuflucht zu finden. Sie bewegte sich so schnell sie konnte durch das Feste und drängte nach oben.
Bald begann sie, langsamer zu werden, weil Erschöpfung, Blutverlust und Entsetzen sie übermannten, aber sie hörte nicht auf zu klettern. Immer höher. In ihrem Kopf drehte sich alles, aber sie wagte es nicht haltzumachen, weil sie befürchtete, sonst das Gefühl dafür zu verlieren, wo oben und wo unten war. Ihr stand die Gefahr vor Augen, die Orientierung zu verlieren und wieder auf der tiefsten Ebene des Bergwerks zu landen oder vielleicht gar in den bodenlosen Abgrund und eine Hölle
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