Das Wispern der Schatten - Roman
dich und den Jungen trotz allem zu strafen? Das Reich der Erlöser ist allumfassend und ewig, sodass alle, die besudelt und schuldig sind, sich unweigerlich durch ihre eigenen Taten verdammen und bestrafen. Die Menschen fallen sich selbst zum Opfer, Held.« Azual ließ Macht aus seinem Kern in die Handvoll Blut rinnen. Das Blut begann sich zu regen und seinem Willen zu folgen.
Ein paar der Helden nickten beim Zuhören. Einer fiel auf die Knie und begann zu beten. Samnirs Blick huschte kurz zu ihnen hinüber, verhärtete sich aber, als er sich wieder auf den Heiligen richtete. » Schöne Rhetorik, Heiliger, und für Fanatiker, Geistesschwache und die, die nie etwas anderes gekannt haben, immer überzeugend, aber du vergisst, dass ich gesehen habe, wie…«
Doch Azual hatte nicht vor, Samnir die Anwesenden noch stärker mit dieser Pest des Widerstands anstecken zu lassen. Er schleuderte mit einer raschen Bewegung sein Blut in die Luft und blies den Nebel zu Samnir hinüber. Als er begriff, was vorging, brüllte der Held und stürmte vorwärts, wobei er gegen das Blut anblinzelte, das ihm in die Augen spritzte. Er atmete durch Mund und Nase aus, damit es ihm nicht sofort in die Atemwege dringen konnte.
Azual taumelte zurück und wankte an der Mauerkante. Eines seiner Knie gab nach– die Lebensenergie, die er seinem Kern entzogen hatte, forderte Tribut–, aber zufällig rettete ihn das vor dem in kräftigem Bogen geschwungenen Stab des Helden. Azual würde den Angriff nur noch ein paar Augenblicke lang überleben müssen. Seine Gedanken begannen wirr zu werden, und es verlangte ihm das Letzte ab, dem Blut zu befehlen, auf Samnirs Haut zu landen, in seinen Körper einzudringen, sich mit dem Blut des Helden zu vermischen und seine Lebensenergie zu stören.
Samnir schmetterte seinen Stab auf die Schulter des Heiligen und setzte dazu an, den hünenhaften Körper seines Gegners vom Wehrgang auf das Kopfsteinpflaster weit unter ihnen zu schleudern. Aber da entglitt dem Helden die Beherrschung über seinen Körper und seinen Verstand. Er brach auf dem Heiligen zusammen und verlor den Bezug zur Außenwelt.
Die zusehenden Helden sprangen die Treppe hinauf und zerrten Samnir von ihrem geliebten Heiligen herunter. Azual war zu erschöpft und fiebrig, um ihre Hilfe abzulehnen. » Die Röhre aus Sonnenmetall in meiner Tunika!«, krächzte er. » Schnell!«
Sie gehorchten ihm ohne Zögern.
» Krempelt seinen Ärmel hoch!«
Azual rammte das dünne, hohle Röhrchen aus Sonnenmetall in eine von Samnirs Adern und stöhnte vor Erleichterung und Begierde, als Blut im hohen Bogen durch die Luft spritzte. Das Sonnenmetall würde die Einstichstelle offen halten und das Blut weiterfließen lassen, solange er es benötigte. Er ließ es in seinen Mund regnen, als würde er einen der köstlichen Weine aus dem Osten trinken, und schluckte so gierig, dass man hätte annehmen können, dass er wochenlang die ausgedörrten östlichen Wüsten durchstreift hatte. Die Magie in Azuals Blut klammerte sich an den Makel und die Lebensenergie in Samnir und begann sie ihm zu entziehen. Binnen Sekunden fühlte sich Azual gestärkt und war wieder ganz der Alte, doch er setzte die Reinigung fort und trank mehr und mehr, bis eine Ekstase der Macht ihn durchströmte und gerade noch genug in Samnir steckte, um ihn am Leben zu erhalten. Denn der Held musste überleben: um den Albtraum und die Strafe zu durchleiden, hilflos in einem Körper gefangen zu sitzen, den er nicht mehr beherrschen konnte, und den Heiligen mit allen Informationen zu versorgen, über die er verfügte.
Die Helden von Gottesgabe waren vor Azual zurückgewichen, und viele Gesichter verrieten Entsetzen. Natürlich hatten sie nie mit angesehen, wie der Heilige einem Mitglied des Volkes die heilige Kommunion spendete, und so konnten sie das damit verbundene Mysterium und Wunder nicht verstehen. Sie hatten es selbst erlebt, als sie volljährig geworden waren, aber die Erinnerung daran hatte der Heilige größtenteils aus ihrem schlichten Verstand entfernt.
Azual rang mit sich, ob er jede Erinnerung an den Zusammenstoß mit Samnir aus den Köpfen dieser Männer löschen sollte– aber es waren zwölf von ihnen, also wäre es ein aufwendiges Unterfangen gewesen, und Azual hatte beschlossen, von nun an weit umsichtiger zu entscheiden, wofür er seine Kraft aufwandte. Der Junge und sein Hexenwerk waren immer noch auf freiem Fuß, und dann war da noch die Pest– er würde vielleicht weit eher,
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