Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Wörterbuch des Viktor Vau

Titel: Das Wörterbuch des Viktor Vau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
Vom Netzwerk:
wurde mir bewusst, dass ich im Lauf der ganzen Grundausbildungszeit die Stimmen nicht ein einziges Mal gehört hatte, während sie vorher bestimmt einmal in der Woche zu mir gesprochen hatten.
    Â»Siehst du«, sagte Juli. »Ihr habt die Stimmen nicht mehr gehört, weil wir hier in der Kaserne Vorkehrungen dagegen getroffen haben. Und wenn ihr die Operation hinter euch habt, werdet ihr sie überhaupt nicht mehr hören.«
    Die Kollegin neben mir starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. »Aber, Sir … Woher wissen wir dann, was wir tun sollen?«
    Â»Ihr müsst euch auf den Verstand verlassen, den euch die Evolution durch Jahrmillionen von Arbeit beschert hat.«
    Â»Und warum ist das so wichtig?«, fragte ich. »Die Stimmen haben noch nie etwas angeordnet, was gegen die Interessen des Gemeinwesens gewesen wäre.«
    Â»Das stimmt«, nickte Juli. »Aber bislang wart ihr auch nur einfache Bürger. In Zukunft seid ihr die Elite dieses Gemeinwesens. Der Staat baut auf euch. Und das kann er nur, wenn ihr in kritischen Situationen völlig frei entscheiden könnt. Die Stimmen geben allgemeine Verhaltensregeln, aber sie können nicht in jeder individuellen Situation für euch entscheiden.«
    Â»Aber unser Auftrag«, wandte ich ein. »Wird es für uns nicht schwieriger, uns zu verstellen, wenn wir keine Stimmen hören, alle anderen aber schon?«
    Â»Im Gegenteil. Die meisten Terroristen leiden unter einem genetischen Defekt, der sie daran hindert, die Stimmen wahrzunehmen. Das ist auch der Grund, warum sie den Weg eingeschlagen haben, den sie heute gehen, denn sie führen ihr Leben ohne die Maßstäbe, welche die Stimmen übermitteln. Ihr würdet also nicht nur eher auffallen, wenn ihr die Stimmen hört, es würde euch auch die Durchführung eures Auftrags nahezu unmöglich machen.«
    Â»Kann der Eingriff rückgängig gemacht werden, Sir?«, wollte einer von uns wissen.
    Er zuckte mit den Schultern. »Das lässt sich nicht eindeutig sagen. Man hat es wohl ein paar Mal versucht, aber mit unterschiedlichen Resultaten. Es funktioniert nicht bei jedem.«
    Wir hatten noch jede Menge Fragen, die Juli alle geduldig beantwortete. Er betonte immer wieder, dass wir die Operation nicht als Strafe, sondern als Auszeichnung betrachten sollten. »Nur den Besten wird zugetraut, dass sie ohne Stimmen verantwortungsbewusst durchs Leben gehen können. Ihr gehört jetzt dazu, und ich bin sicher, dass ihr euch als würdig erweisen werdet.«
    Sein Tonfall war der eines stolzen Vaters, der seine Kinder gründlich auf das Leben vorbereitet hatte und sie jetzt in die Selbstständigkeit entließ.
    So kam es, dass wir unsere Stimmen verloren.

didu:
Ermittlungen
1.
    Hauptstadt der Union
    Die Wohnung, in der Thura Viktor unterbrachte, war klein, erwies sich aber als durchaus behaglich. Ein Wohnraum mit Sitzgruppe, Fernseher und Schrank sowie einer winzigen Kochecke, ein Schlafraum mit Kleiderschrank und ein Bad mit Dusche. Alle Fenster wiesen zum Hof hinaus.
    Marek kontrollierte die Räume mit einer Konzentration, als habe er in seinem Leben nichts anderes getan, als konspirative Wohnungen auf versteckte Mikrofone zu überprüfen. Die anderen mussten so lange im Flur warten. Nachdem er seine Untersuchung mit einem zufriedenen Nicken abgeschlossen hatte, durften sie das Wohnzimmer betreten. Marek demonstrierte die vorhandenen Kochutensilien in dem kleinen Hängeschrank über der Spüle und präsentierte den gut gefüllten Kühlschrank wie ein Magier seine Kiste mit der zersägten Frau. Er stellte vier Gläser und eine Flasche Apfelsaft auf den Tisch. Viktor nutzte die Gelegenheit, um im Bad zu verschwinden. Als er kurz darauf zurückkam, sah er zwar immer noch extrem erschöpft aus, aber er hatte zumindest etwas Ordnung in seine Haare gebracht.
    Astarte bemerkte, dass Viktor noch immer unter Schock stand. Sie hätte Marek und Enrique am liebsten fortgeschickt und dafür gesorgt, dass er sich erst einmal ordentlich ausschlief. Aber die Zeit war knapp, und sie wussten noch viel zu wenig darüber, was in Dagombé vorgefallen war. Enrique schien das ähnlich zu sehen.
    Â»Sie haben uns noch nicht erklärt, warum Sie so überstürzt aus Agua Caliente geflohen sind«, begann er. »Wir können Ihnen nicht helfen, wenn wir nicht wissen, wobei.«
    Viktor brauchte eine Weile, bis er auf die Frage

Weitere Kostenlose Bücher