Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert

Titel: Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
Drinnen gab es nichts, das auf den Versuch schließen ließ, das Dasein in den Felshöhlen angenehmer zu gestalten. Keine Kissen, nicht einmal Decken. Auch fand er nirgendwo Essensreste und, abgesehen von ein paar uralten Schalen und Krügen, die eingestaubt in den Ecken standen, auch keine Gefäße.
    Etwas aber machte ihn besonders stutzig. Nirgends auf seinem Weg war er auf Klingen gestoßen, auf die hochgerühmten Waffen der Götterschmiede. Kein einziges Schwert, kein Dolch, keine Lanze. Entweder wurde alles, was die Schmiede gescha f fen hatten, in verborgenen Lagerräumen aufbewahrt, oder aber die Ergebnisse ihrer Kunstfertigkeit waren gemeinsam mit ihren Schöpfern verschwunden.
    Er stieg weitere Treppen hinauf und gelangte in eine weite Schmiedehalle, die offenbar vor nicht allzu langer Zeit benutzt worden war. Die Feuerstellen waren nicht ausgekehrt, Hämmer und Zangen lagen am Boden verstreut, lederne Schürzen waren achtlos fallen gelassen worden.
    Und noch etwas entdeckte Niccolo.
    Kampfspuren.
    Im Nachhinein war er nicht sicher, ob er unterwegs bereits ähnliche Anzeichen übersehen hatte. Kerben, Risse und Spalten waren nichts Ungewöhnliches in dem porösen Lavagestein. Hier aber, in dieser Halle, war eindeutig gekämpft worden. Zerfetzte Kleidungsstücke lagen umher, und manche wiesen Flecken auf, pechschwarz allerdings, nicht braun wie getrocknetes Blut.
    All das war mehr als sonderbar. Erst die ausgestorbenen äußeren Türme, dann hier im Zentrum solche, die noch vor kurzem bewohnt gewesen waren. Bewohnt allerdings von Menschen, die augenscheinlich weder aßen noch Wert auf die allerschlichteste Behaglichkeit legten. Men schen, die mit irgendwem gekämpft hatten und, wenn sie verletzt wurden, kein Blut, sondern eine eigentümliche schwarze Flüssigkeit abso n derten.
    Noch eine Treppe, aber an ihrem Ende lag keine Halle. Stat t dessen wölbte sich über ihm der lavarote Himmel, das Licht eines ewigen Sonnenuntergangs. Niccolo betrat eine weite Plattform, hundert mal hundert Schritt von einem Rand zum anderen, künstlich geschaffen, indem man die Lavaspitze des Turms mit Hacke und Meißel abgetragen hatte. Die Winde pfiffen scharf genug über die Kanten, um einen Menschen aus dem Gleichgewicht zu bringen; trotzdem gab es rundum kein Geländer.
    Niccolo wurde erwartet.
    Nicht weit entfernt von der Öffnung des Treppenabstiegs saß eine Frau mit langem schwarzem Haar. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt. Ohne ihn zu beachten starrte sie hinaus in den flirrenden, hitzegesättigten Abgrund, über die Spitzen der benachbarten Türme hinweg.
    » Mondkind? « Der Wind riss ihm die Silben von den Lippen.
    Da erst blickte sie über die Schulter zu ihm herüber.
    » Hallo, Niccolo. «
     

 
     
    SÄULEN DES HIMMELS
     
    O bwohl es Nacht wurde, entzündeten Nugua und die anderen kein Feuer. Der nahe Lavasee erzeugte mehr Hitze, als ihnen lieb war, und der allgegenwärtige goldrote Lichtschein brannte sich sogar durch ihre geschlossenen Augenlider.
    Nugua lag mit dem Rücken auf dem erwärmten Gestein, hatte die Hände unterm Hinterkopf verschränkt und stöhnte innerlich unter der trockenen Hitze. Sie war im ewigen Sommerregen aufgewachsen, der den Drachen auf ihren Wanderungen folgte, und nun spürte sie, wie ihre Haut ungewohnt spröde und rau wurde. Jetzt, da sie erst einmal darauf achtete, fiel ihr sogar das Atmen schwerer als sonst.
    Doch all das lenkte sie nur vordergründig von ihrer Angst um Niccolo ab. Die Sorge um ihn beherrschte ihr Denken, verdrän g te zeitweise sogar ihr Verlangen nach der Rückkehr zum Drachenclan. Und das verstörte sie wirklich.
    Gedankenverloren blickte sie zu Meister Li hinüber. Der Fangshi kauerte im Schneidersitz am Rand des Felsplateaus, hatte die Schaufellanze quer über seine Knie gelegt und starrte die verschwommenen Lavatürme an.
    » Du warst noch nie dort drübe n «, sagte sie, » u nd trotzdem weißt du so viel über die Türme und ihre Bewohner. «
    Er zuckte die Achseln. » Das ist altes Wissen. Ich habe lange nichts Neues mehr über sie gehört. «
    Sie setzte sich auf. » Heißt das, du weißt gar nicht, wie es heute dort aussieht? Und du hast Niccolo gehen lassen, ohne sicher zu sein, wie – «
    » Sicher sein kann nieman d «, fiel er ihr ins Wort. » Nicht in diesen Zeiten. Die Dinge ändern sich stündlich, und nicht immer zum Guten. «
    Feiqing brummte zustimmend, während er sich auf dem Fels umherwälzte und keine bequeme Schlafposition fand. » In

Weitere Kostenlose Bücher