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Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert

Titel: Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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meinem Gauklerwagen gab es wenigstens weiches Stroh. «
    Nugua funkelte ihn wütend an. » Du hast gebettelt, dass wir dich mitnehmen. «
    » Konnte ich ahnen, dass wir hier landen? «, keifte er zurück.
    Nugua stand auf und setzte sich neben den Fangshi. » Als du die Perlenschildkröten herbeigerufen hast, da hast du die alte Sprache der Drachen benutzt. «
    Er nickte.
    » Woher kennst du sie? «
    Er warf ihr mit gerunzelter Stirn einen Seitenblick zu. » Woher kennst du sie, Nugua? «
    Machte es einen Unterschied, wenn sie ihm die Wahrheit sagte? Sie war müde, und sie hatte zu große Angst um Niccolo, als dass sie sich jetzt auch noch Sorgen um die Wahrung ihres Geheimnisses hätte machen können. Ohne einleitende Worte und ohne irgendetwas auszusparen erzählte sie ihm alles. Von ihrem Leben in Yaozis Clan, vom Verschwinden der Drachen und von ihrer monatelangen Suche unter Menschen, zu denen sie keine Ver wandtschaft fühlte. Während sie sprach, blickte sie hinaus auf die brodelnde Lava, sah zu, wie sich Blasen bildeten und platzten, wie sich Wogen mit gelbweißen Rändern schle i chend übereinander schoben und sich das nördliche Ufer mit jeder Stunde ein winziges Stückchen weiter durch das Gebirge fraß.
    Nachdem sie geendet hatte, war sie außer Atem, obwohl sie langsam, fast bedächtig gesprochen hatte. Die Erinnerung zehrte an ihren Kräften. Zu guter Letzt fühlte sie sich sehr verletzlich. Womöglich hatte sie zu viel von sich preisgegeben. Aber spielte das noch eine Rolle?
    Meister Li hatte sie kein einziges Mal unterbrochen, nur zugehört und dann und wann eine Augenbraue erhoben. Schlie ß lich aber sagte er: » Du bist kein Drache, Nugua. Kein Mensch kann sein wie sie. «
    Schon bereute sie, dass sie sich ihm geöffnet hatte. Doch dann erkannte sie, dass er das gar nicht abwertend meinte. » Du magst die Drachen nich t «, stellte sie fest.
    Er hob die Schultern, so als gäbe es darauf keine eindeutige Antwort. » Wir wissen nicht, was in ihnen vorgeht. Dir mögen sie mit Freundschaft begegnet sein. Aber sind sie deshalb Freunde aller Menschen? Und meinen sie es gut mit der Welt oder nur mit sich selbst? «
    » Sie kümmern sich nur um ihre eigenen Angelegenheiten. Was ist daran schlecht? «
    » Nichts. Aber es ist auch nichts Gutes daran. Versuch, mich zu verstehen, Nugua. Ich habe nichts gegen die Drachen, aber ich liebe sie auch nicht. Und ich denke, das ist genau die Art und Weise, mit der sie einem wie mir begegnen würden. Sie hätten die Macht, große Veränderungen zu bewirken – aber sie nutzen sie nicht. «
    Nugua neigte den Kopf und dachte nach. Das Einzige, was Drachen zu Gunsten der Menschen bewirken konnten, war, ihnen Regen zu bringen.
    Meister Li fuhr fort: » Ihnen obliegt es, eine große Gefahr von uns allen abzuwenden. Sie könnten es, begreifst du? Aber der Preis, den sie dafür zahlen müssten, ist ein hoher. «
    » Ich weiß nicht, was du meinst. «
    Er winkte ab. » Lass gut sein. Wir reden ein andermal da r über. « Sein Blick strich wieder über die Lava, über die umliegenden Berge, die feuerrote Wolkendecke. Es sah beinahe aus, als suchte er nach etwas. Oder nach jemandem.
    » Lass uns jetzt rede n «, sagte Nugua gereizt. » Ich will es ve r stehen. «
    Meister Li seufzte. » Vielleicht ist es tatsächlich an der Zeit, euch die Wahrheit zu sagen. «
    Nugua spannte sich, so als müsste sie sich gegen Lis weitere Worte auch körperlich wappnen.
    Der Fangshi streckte einen Arm in die Höhe und stieß einen schrillen Pfiff aus.
    Einige Augenblicke vergingen. Feiqing hatte sich ebenfalls aufgesetzt und aufmerksam zugehört. Nicht einmal er wagte es, die plötzliche Stille zu stören.
    Ein leises Rauschen ertönte. Schwingenschlag.
    Nugua wirbelte herum, blickte in alle Richtungen. Erst hatte sie geglaubt, die Laute würden von etwas hervorgerufen, das sich ihnen von den Türmen her näherte. Jetzt aber bemerkte sie, dass es von hinten kam. Aus den Schatten des Gebirges in ihrem Rücken.
    Es war ein Kranich, groß wie ein Pferd. Er hatte graue s G efi e der, einen roten Kamm und weiße Wangenstreifen, die bis zu seinem dünnen Hals hinabreichten. Lang ausgestreckt flog er auf sie zu, seine Schwingen spannten sich drei, vier Meter weit. Bevor er auf dem Plateau aufsetzte, nur wenige Meter von Feiqing entfernt, riss er seinen Schnabel auf und stieß einen trompetenartigen Schrei aus.
    » Was, bei allen Drachenkönigen – «, entfuhr es ihr.
    » Keine Angs t «, sagte Li mit

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