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Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert

Titel: Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ist keiner mehr da, der mir etwas verraten könnte, und vielleicht weiß ich ja jetzt auch das Wichtigste. Und du, Niccolo, du bist hier, weil sie dir diesen Ort genannt hat. «
    » Nei n «, widersprach er. » Weil ich den Friedhof der Drachen suche. Und weil die Schmiede … « Er verstummte, als ihm bewusst wurde, wie sinnlos das alles war. » Weil die Schmiede, die jetzt tot sind, vielleicht irgendwann, vor Leonardo-weiß-wie-langer Zeit, einmal Freunde der Drachen waren … Oder auch nicht. « Plötzlich wurde ihm schwindelig, und seine Knie wurden weich. Erschöpft setzte er sich auf das warme Lavagestein und starrte ins Leere. » Ich werde den Aether niemals finden. Mein Volk wird sterben, während ich wie ein Blinder durch dieses verfluchte Land irre. Das hat doch alles keinen Zweck. «
    Sie ging neben ihm in die Hocke, legte Silberdorn auf den Boden und ergriff seine Hand. » Du hast mir erzählt, dass du einen Drachen suchst, um seinen Atem einzufangen. Aber du hast mir nie gesagt, was es damit auf sich hat. Weshalb sollte ein wenig Aether ein ganzes Volk vor dem Untergang bewahren? «
    Ihm war nicht danach zu Mute, ihr alles zu erzählen. Und doch: Welchen Schaden konnte er damit jetzt schon noch anrichten?
    Langsam und in wenigen Sätzen berichtete er ihr vo m V olk der Hohen Lüfte, den Aetherpumpen und dem Absturz über dem Tal der Raunen. Er sah sie dabei kein einziges Mal an, starrte nur hinüber zur schwarzen Lavakante des Plateaus und dem rotgoldenen Glutschein, der dahinter aufstieg. Manchmal war ihm, als sähe er in dem feurigen Flimmern Gesichter, Gestalten, ganze Landschaften – Bildnisse dessen, wovon er gerade sprach.
    Nachdem er geendet hatte, lächelte sie.
    » Du findest das zum Lachen? «, fragte er bitter.
    » Ich kann dir helfen, Niccolo. « Sie fuhr ihm mit der Hand übers Haar, und die Berührung tat wider Erwarten gut. » Ich denke, ich weiß, wo der Drachenfriedhof liegt. «
     
    DER GEHEIME SCHLüSSEL
     
    D ie Öllampe war längst niedergebrannt. Alessia hatte das Glas zerschlagen und den Rand des leeren Metallfußes so lange an der Innenwand der Aetherpumpe geschliffen, bis die Kante zu einer messerscharfen Schneide geworden war. Falls der Scha t tendeuter zurückkehrte, würde sie ihn angreifen. Sie würde ihm das Metall ins Gesicht drücken und es herumdrehen. Das würde ein faustgroßes Stück aus seiner Wange stanzen, und vielleicht würde es ihr gelingen, dann an ihm vorbei ins Freie zu entko m men.
    Während der ersten zwei Tage ihrer Gefangenschaft hatte sie sich viele solcher Gedanken gemacht. Die meisten waren aus Angst und Wut geboren; sie drehten sich um Rache und um noch mehr Wut.
    Am dritten Tag aber erfasste sie eine neue Furcht: Was, wenn Carpi gar nicht zurückkam? Wenn er sie hier oben allein ließ, bis sich die Wolkeninsel unter ihren Füßen in Nebel auflöste und sie gemeinsam mit allen anderen in die Tiefe stürzte?
    Als die Lampe noch gebrannt hatte, war sie die Wendeltreppe rund um das Kernrohr der Aetherpumpe hinabgestiegen, auf der Suche nach Sandro Mirandola. Der Schattendeuter hatte den Pumpeninspekteur von hoch oben in die Tiefe gestürzt, und es hatte kaum Zweifel gegeben, dass der Sturz ihn getötet hatte.
    Die stählerne Wendeltreppe reichte tief in das Wolkengebirge hinein. Als Alessia schließlich auf den Körper des toten Pu m peninspekteurs gestoßen war, hatte sie nicht mehr als stummes Entsetzen empfinden können. Schaudernd hatte sie seinen verdrehten Leib untersucht, erst durch vorsichtiges Abklopfen, dann gründlicher.
    Dabei war ihr die Ledertasche an seinem Gürtel aufgefallen, in der Brot, ein hartes Stück Käse und eine Wurst steckten, die schon vom Anschauen satt machte; außerdem hing dort ein lederner Wasserschlauch. Pures Glück, dass er beim Aufprall auf der Treppe nicht geplatzt war.
    Pumpeninspekteure blieben oft mehrere Tage fort von zu Hause und wanderten allein über die Gipfel der Wolkenberge, von einem schwarzen Eisenturm zum nächsten. Alessia hatte sich nie Gedanken darüber gemacht, was sie dort oben taten; eigentlich war sie wie alle vom Volk der Hohen Lüfte der Ansicht gewesen, dass die Inspekteure ziemlich unnütz waren, hieß es doch, dass selbst sie nicht die geringste Ahnung hatten, wie die Aetherpumpen arbeiteten.
    Umso überraschter war sie, als sie unter der Gürteltasche einen Eisenring entdeckte, an dem ein einzelner Schlüssel baumelte. Auf der Wolkeninsel gab es kaum Schlösser. Diebstahl oder Einbruch

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