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Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert

Titel: Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Ich hab ’ s gewuss t «, presste Nugua verächtlich hervor.
    » Glaubst du, ich würde noch Zeit verschwenden, wenn das so einfach wäre? Wenn ich irgendwo mehr über meine Vergange n heit herausfinden kann, dann doch nur dort! Aber ich weiß ja nicht mal mehr, wie ich hingekommen bin. Oder warum. Ich weiß noch, dass alles voll war mit diesen … diesen gigantischen Drachengerippen. Und dass es geregnet hat. Und dass da dieser eine lebendige Drache war, der Wächter des Friedhofs. Er hat mich verflucht, und … und dann weiß ich nichts mehr, bis ich irgendwo im Wald aufgewacht und einfach drauflosgelaufen bin. «
    » War das in der Nähe von der Stelle, an der dich die Gaukler gefunden haben? «, fragte Niccolo.
    Feiqing nickte. » Einen Tag später haben sie mich eingefa n gen. «
    » Wo war das? Weißt du wenigstens das noch? «
    » Sichuan. «
    Niccolo runzelte die Stirn. » Was ist das? Eine Stadt? «
    » Eine Provin z «, sagte Nugua. » Eine gigantische Wildnis, begrenzt von hohen Gebirgen, durch die selbst die Drachen nur selten ziehen. «
    Niccolo musterte sie eindringlich. » Warum weißt du eigentlich so viel über Drachen? «
    » Ich kenne sie eben. «
    » Und warum suchst du dann welche? «
    » Das geht dich gar nichts an. «
    Mit einem Seufzen wandte er sich wieder dem Rattendrachen zu. » In Sichuan also. Wie weit ist das von hier? «
    » Drei, vier Tagesreisen. Nicht weiter. «
    » Dann sind wir gerade mal an der Grenz e «, sagte Nugua skeptisch. » Aber Sichuan ist groß genug, um monatelang dort herumzuirren. Und es ist gefährlich. Abgesehen davon weiß er ja nicht mal, ob der Drachenfriedhof wirklich dort ist. «
    » Der Wächterdrachen wird ihn nicht durchs ganze Reich getragen haben, um ihn auszusetzen, oder? «
    » Ebe n «, pflichtete Feiqing eilfertig bei.
    Sie runzelte die Stirn unter dem struppigen schwarzen Haar, und der Schmutz in ihrem Gesicht ließ die Furchen noch tiefer erscheinen. Argwöhnisch musterte sie Feiqing von oben bis unten, vom Schuppenkamm bis hinab zur zerknautschten Schwanzspitze. » Wenn wir dich im Schlamm wälzen, wärest du zumindest nicht rot. Das würde helfen. «
    » Nicht noch mehr Dreck! «, rief der Rattendrache erschrocken.
    Niccolo machte einen Schritt an Feiqing vorbei und schaute in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Seit sie zuletzt die Rufe und Schreie der Mandschu gehört hatten, war kaum eine halbe Stunde verstrichen. Falls Lotusklaue und seine Männer den Kampf mit den Tigern überlebt hatten, hatten sie aller Wahrscheinlichkeit nach schon die F ährt e der Flüchtlinge aufgenommen.
    Ganz abgesehen von den Tigern selbst.
    » Wir sollten von hier verschwinde n «, sagte er nervös. Das Bachbett endete in einem Wall aus Finsternis. Ginkoäste fächerten wie ein Dach aus Knochen über die Schneise. Die nächtlichen Laute des Waldes jagten ihm mehr und mehr Angst ein. Etwas Ähnliches gab es auf der Wolkeninsel nicht, und er musste schlagartig wieder an die Raunen denken. Waren wirklich alle Baumbestien vom Aether in das Tal jenseits der Berge gelockt worden? Oder gab es auch hier welche?
    Er wünschte sich, Wisperwind wäre bei ihnen.
    Mit einem leisen Seufzen eilte er hinter Nugua her. Feiqing nahm seinen Drachenschwanz in die Hand und folgte ihnen.
    In der Ferne ertönte ein Heulen.
    Dann ein zorniges Brüllen.
    Und wieder herrschte Stille. Aber Niccolo war es, als folgte sogar das Schweigen ihnen durch die Nacht wie etwas Großes, Massives, Lebendiges.
    » Hat eigentlich niemand Hunger? «, fragte Feiqing.
    Aus dem Dunkel fegte ein schwarzer Pfeil heran und bohrte sich in seinen Rücken.
     
    ALESSIAS PLAN
     
    A us der Tiefe drangen Schreie.
    Keine menschlichen Schreie.
    Alessia de Medici, Tochter des Herzogs, lief den knarrenden Steg entlang, der auf einem komplizierten Holzgerüst weit über den Rand der Wolkeninsel hinausragte. Der gesamte Steg war mehr als hundert Meter lang; etwa die Hälfte davon schwebte über dem Abgrund. Das Geflecht der senkrechten und waag e rechten Balken, die den schmalen Plankenweg über dem abgerundeten Rand der Wolke stützten, erzitterte ächzend unter ihren Schritten.
    Der hintere Teil des Steges lag verborgen zwischen zwei steilen Wolkenwänden. Das vordere Ende aber ragte weit genug über die weißen Ballen hinaus, um einen Blick darunter zu erlauben. Dieser Steg und die versteckte Luftschlittenhalle im Inneren der Wolke waren die beiden einzigen Orte, die solch eine Aussicht unter die Insel

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