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Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert

Titel: Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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schriller Pfiff ertönte.
    Er verharrte und sah abermals zurück.
    Auch die Mandschu schauten sich um, sogar Lotusklaue.
    Im Schein der Lampions, gelblich von unten angeleuchtet, sah Niccolo das wilde Mädchen oben auf dem Dach des Tigerw a gens sitzen. Sie stieß einen zweiten Pfiff aus, noch schneidender als der erste.
    Als sie sicher war, dass alle in ihre Richtung blickten, zeigte sie ein blitzendes Grinsen und deutete nach unten.
    Die Tür des Tigerwagen schwang auf.
    Im selben Augenblick fegten drei mächtige Leiber daraus hervor. Alles ging unglaublich schnell. Die weißgelben Ung e tüme stürzten sich auf die erstbeste Beute, die ihnen zwischen die Zähne geriet – Lotusklaue und seine Männer.
    Die Mandschu kreischten wie am Spieß, als die riesigen Raubkatzen über sie herfielen. Niccolo wartete nicht ab, um zu sehen, ob Lotusklaue unter den Opfern war. Vielmehr tat er etwas, das ihn selbst überraschte – er rannte zurück zum Wagen, zerrte den jammernden Drachentölpel auf die ungeschickten Füße und zog ihn mit sich zum Waldrand.
    Die Tiger brüllten und fauchten.
    Die Mandschu schrien in Todesangst.
    » Schneller! «, brüllte Niccolo den falschen Drachen an und realisierte im selben Moment, dass sogar er selbst Mühe hatte, sich durch das verwobene Dickicht zu zwängen. Wie sollte es da erst dem anderen in seinem klobigen Kostüm ergehen!
    Trotzdem gelang es ihnen irgendwie, den ersten Wall aus Unterholz zu überwinden. Nach ein paar Metern standen die Büsche weiter auseinander, und das Laufen fiel leichter.
    Plötzlich war das Mädchen neben ihnen.
    » Rennt! «, fauchte sie, zog mühelos an ihnen vorüber und verschwand einmal mehr in der Finsternis.
    » Lass mich nicht zurück! «, flehte der Rattendrache.
    » Konntest du nicht wenigstens dieses dämliche Kostüm au s ziehen? «, schnauzte Niccolo ihn an.
    » Nein. «
    » Nein? « Egal, dachte er, zerrte den Tollpatsch weiter hinter sich her und fragte sich zugleich, warum er sein Leben für diesen Fremden aufs Spiel setzte. Vielmehr hätte er es so wie das Mädchen machen sollen. Einfach abhauen, ganz gleich, was aus den anderen wurde.
    Sie hat die Tiger freigelassen, flüsterte seine innere Stimme, vergiss das nicht!
    Nur um ihren eigenen Vorsprung zu vergrößern. Nur deshalb.
    Er und der Rattendrache stürmten weiter durchs Unterholz und hinterließen eine Spur so breit, dass sie selbst im Dunkeln leicht zu verfolgen war.
    Hinter ihnen ertönte noch immer das Kreischen de r M andschu, das Fauchen der Tiger. Was immer sich am Rand des Lagers abspielte, es war noch nicht vorbei.
    » Verfolgen … sie … uns? «, japste sein Begleiter.
    » Woher soll ich das wissen? Ich dachte, ihr Drachen seid weise und allwissend? «
    » Du magst mich nich t «, nölte der Rattendrache.
    Niccolo rannte weiter und hörte, dass der andere nun wieder folgte. Seufzend wurde er ein wenig langsamer, bis sein unsel i ger Begleiter aufgeschlossen hatte.
    » Hier entlang! «, ertönte plötzlich die Stimme des Mä d chens. » Hier unten! «
    Niccolo suchte sie in der Dunkelheit und entdeckte ihren schlanken Umriss links neben sich am Fuß eines Abhangs. Eine tiefe Schneise, vielleicht ein ausgetrocknetes Bachbett, führte dort tiefer in den Wald hinein.
    » Ist da unten Wasser? «, fragte der Rattendrache. » Ich hasse Wasser! «
    Niccolo starrte ihn an. » Wie heißt du? «
    » Feiqing. «
    Er nickte ihm zu. » Guten Flug, Feiqing! «
    Und damit gab er ihm einen Schubs, der ihn die Böschung hinunterwarf. Mehr kugelnd als laufend purzelte der falsche Drache in die Tiefe, genau auf das Mädchen zu, das ihm behände auswich und geringschätzig zusah, wie Feiqing mit einem gedämpften » Umpf! « auf seinem dicken Drachenbauch landete.
    Niccolo folgte ihm, verlor im Dunkeln seinen Strohut und kam neben dem Mädchen zum Stehen. » Ich bin Niccolo. «
    Sie sagte nichts.
    » Hast du einen, du weißt schon … Namen? «, fragte er.
    » Nugua. « Sie wandte sich um und rannte wieder los, folgte weiter dem Verlauf der Schneise.
    Feiqing rappelte sich hoch. » Nugua? Wie die Drachengöttin? «
    Keiner beachtete ihn.
    » Hey! Wartet auf mich! «
    Zu dritt liefen sie durch die Dunkelheit, nur der fahle Schein des Mondes leuchtete ihnen den Weg. Am Grund des Bachbetts kamen sie schneller voran als weiter oben im Wald, wo tief hängende Äste in ihre Gesichter gepeitscht waren, so als stünden die Bäume selbst mit den Mandschu im Bunde.
    Allmählich verklangen die Schreie der

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