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Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht

Titel: Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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weniger werden dich nicht umbringen. «
    » Jajaja! «, seufzte das Riesengesicht.
    Li schob Nugua sanft zum Kranich hinüber. Als sie gerade widerwillig gehen wollte, nahm er seine Schaufellanze und drückte sie ihr in die Hände. » Nimm die mit. «
    » Die ist zu groß für mich «, brachte sie stockend hervor. » D a mit kann ich nichts anfangen. «
    » Wer weiß. «
    Sie nahm die Waffe entgegen, doppelt so groß wie sie selbst. Als sie den Schaft berührte, spürte sie, wie eine warme Woge durch ihre Hände und an den Armen hinauffloss. Die L a vaschmiede hatten diese Lanze für die Götter erschaffen. Ein fremdes Säuseln und Flüstern wehte durch Nuguas Gedanken, aber sie hörte nicht zu, sperrte sich dagegen mit der Sturheit eines Drachen.
    Langsam ging sie zum Kranich und schob die Waffe in die Lederscheide am Zaumzeug. Der Vogel legte sich ab und ließ sie auf seinen Rücken steigen. Ein leises, niedergeschlagenes Gurren drang aus seinem Schnabel, so als wüsste er genau, was seinem Herrn bevorstand.
    Als sie wieder zu Li und dem Seelenschlund blickte, war das riesenhafte Menschengesicht vom Sandstrudel des Kopfse g ments verschlungen worden. Das Trichtermaul erschien, diesmal ohne die bebenden Zahnzapfen. Es sah aus wie ein schwarzer Tunnel, wahrscheinlich kaum anders als die dunklen Fel s schächte, denen sie in die Dongtian der Himmelsberge folgen sollte. Hinab in die Heiligen Grotten.
    Aber sie konnte jetzt nicht an Yaozi und die anderen denken. Sie spürte weder Hoffnung für sich selbst, noch Erleichterung darüber, dass sie endlich das Versteck der Drachen kannte. Alles, woran sie denken konnte, kreiste um Li, der ihr noch einmal zunickte, die Hand zu einem letzten Gruß hob und sich schließlich zum Seelenschlund umwandte.
    Die Ränder des Trichtermauls pulsierten vor Aufregung, als der Xian auf das schwarze Rund zuging, die Schultern aufrecht, die Schritte ruhig und würdevoll.
    Der Kranich krächzte und stieß sich vom Boden ab. Nugua klammerte sich an die Zügel, rutschte wie von selbst an die beste Stelle auf dem gefiederten Rücken und konnte doch nicht den Blick von Li nehmen. Ihre Tränen flossen jetzt in feurigen Rinnsalen über ihr Gesicht. Die Schreie des Vogels hielten an, bis er die Nebeldecke erreichte, danach wurden sie vom Dunst zu einem stumpfen Krähen gedämpft.
    Das Letzte, was Nugua sah, bevor die grauen Schwaden sie verschluckten, war Li, der mit erhobenem Haupt das Maul des Ungeheuers betrat und eins wurde mit der Schwärze im Inneren des Seelenschlunds.
     

 
     
     
    IM UNWETTER
     
    E s hatte zu regnen begonnen, nachdem Wisperwind und Feiqing ihr Nachtquartier im Bambuswald verlassen hatten. Ein paar Stunden später, gegen Mittag, hatte sich das Kostüm des falschen Drachen derart mit Nässe vollgesogen, dass er sich auf sein breites Hinterteil fallen ließ, die Arme über dem Bauch verschränkte und beleidigt die dicke Nase in die Höhe reckte.
    » Keinen Schritt «, schnaubte er. » Ich mache keinen Schritt mehr, bevor du nicht ein wenig Respekt für meine außerg e wöhnlich anfällige und insgesamt überaus delikate Verfassung zeigst. « Er redete oft so geschraubt, vor allem dann, wenn er sich über andere ärgerte.
    Die Schwertmeisterin blieb stehen, drehte sich langsam zu ihm um und betrachtete ihn düster aus dem Schatten ihres pilzförm i gen Strohhuts. Sie trug einen waldfarbenen Mantel; grün und braun war auch der Rest ihrer Kleidung. Um ihre schmale Taille lag ein Gürtel, an dem fingerlange Wurfnadeln aus Stahl funkelten. » Ein Gewitter zieht auf. Wenn wir nicht bald aus diesem Wald herauskommen, ist dein Kostüm vielleicht schneller trocken, als du es dir wünschst. « Sie deutete auf den hohen Baum, an dessen Fuß der Rattendrache saß. Aus den Kronen drang das Geschrei wilder Affen. » Das ist wirklich kein gute r P latz für eine Pause, Feiqing. Schon gar nicht, wenn es blitzt. «
    Verunsichert, aber viel zu trotzig, um ihr Recht zu geben, blickte Feiqing am Stamm hinauf. Das groteske Drachenkostüm, das mit seinem Menschenkörper verwachsen war, hatte längst seine leuchtend rote Farbe eingebüßt und ein schlammiges Braunschwarz angenommen. Nur sein mächtiger Bauch aus wulstigen Querstreifen, ähnlich dem eines aufgeblähten Krok o dils, ließ in den Ritzen noch ein wenig von dem einstigen Rot erkennen. Seine spitze Schnauze mit der faustgroßen Nase hatte weit mehr Ähnlichkeit mit der Karikatur einer Ratte als mit einem Drachen, aber wer immer das

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