Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht
Kostüm einst geschneidert hatte, schien es nicht auf ein ernsthaftes Abbild angelegt zu haben. Vielmehr hatte er alles daran gesetzt, Hohn und Spott auf den Träger zu ziehen; umso schmerzlicher für Feiqing, dass er in dem klobigen Ding gefangen war.
Dabei kannte er nicht einmal den Grund für sein Elend . Das Letzte, woran er sich erinnern konnte, war der Wächter des Drachenfriedhofs, der ihn mit Hilfe einer magischen Teufelei zu einem Dasein in dieser lächerlichen Gestalt verflucht hatte. Das war zwei, drei Jahre her, und nun war Feiqing auf dem Weg zum Friedhof, um den Wächterdrachen zur Rede zu stellen. Seine alte Gestalt wollte er wiederhaben und, mindestens ebenso dringend, alle Erinnerungen an sein Leben vor dem Drache n fluch . Er hatte nicht die geringste Ahnung, wer er einmal gewesen war, woher er kam und wie es ihn überhaupt in diesem Kostüm auf den Drachenfriedhof verschlagen hatte.
Unvermittelt fragte er sich, ob Li und das Mädchen den Frie d hof wohl schon erreicht hatten. Auf dem Kranich waren sie um ein Vielfaches schneller; Wisperwind und er hingegen mussten den Weg zu Fuß bewältigen. Ihm blieb nichts, als zu hoffen, dass Nugua rechtzeitig dort ankam und Hilfe fand, bevor der Fluch der Purpurnen Hand sie töten konnte.
Um sich von seiner Sorge abzulenken, beschloss er, mit Wi s perwind zu streiten. Manchmal half das. » Wenn es blitzt «, sagte er störrisch, » dann ist dieser Baum so gut oder schlecht wie jeder andere. «
Sie verzog einen Mundwinkel. » Du hast dir den weit und breit höchsten ausgesucht, Feiqing. «
Noch einmal sah er am Stamm hinauf, erkannte widerstrebend, dass sie Recht hatte, und mühte sich zurück auf die Füße. Dass seine Wulstfinger und schlabberigen Zehen zu wenig nutze waren, machte das Aufstehen nicht gerade leichter.
» Komm jetzt «, verlangte Wisperwind und eilte weiter. » Vom letzten Hügel aus habe ich Felsen gesehen, nicht weit von hier. Vielleicht finden wir dort Schutz, bevor das Unwetter lo s bricht. «
Feiqing patschte wütend auf seinem durchnässten Rattendr a chenleib herum. Das Material fühlte sich an wie eine Mischung aus Wolle und Leder, war aber weder das eine noch das andere. Manche Teile waren überaus empfindlich – so spürte er sehr deutlich, wenn jemand auf seinen Drachenschwanz trat –, andere Stellen blieben vollkommen taub. Aber alle Regionen des Kostüms hatten di e ü beraus unerfreuliche Eigenschaft, sich bei Regen voll Wasser zu saugen. Feiqing hatte dann das Gefühl, als schleppte er sein Gewicht gleich zweimal durch diesen vermaledeiten Wald. Obwohl er Wisperwind mehrfach – und überaus höflich, wie er fand – auf diesen Umstand hing e wiesen hatte, zeigte sie keine Spur von Rücksicht . Seit Tagen schon stürmte sie durch die Lande, als wären ihnen noch immer die Mandschu auf den Fersen.
» Ich – kann – nicht – mehr! «, jammerte er und betonte dabei jedes Wort einzeln, für den Fall, dass sie vom Kampf mit Lotusklaues Männern einen Gehörschaden davongetragen hatte. » Ha – Ilo! Ich – ster – be – gleich! «
» Du stirbst nicht, keine Sorge. « Sie drehte sich nicht mal zu ihm um. » Jedenfalls nicht, solange dich kein Blitz trifft. «
» Blitze sind meine verdammte hinterletzte Sorge! «, fluchte er.
» Ziemlich dumm, wenn du mich fragst. «
Feiqing blieb wie angewurzelt stehen, diesmal nicht wegen des nassen Kostüms. » Du hast Angst! Das ist es, nicht wahr? Wisperwind, die große Schwertkämpferin, die berüchtigte Anführerin des Clans der Stillen Wipfel, fürchtet sich vor Blitz und Donner! « Vergnügt schlug er die Hände ineinander. » Die mächtige Wisperwind macht sich vor Angst gleich in die Hosen! «
Sie blieb stehen, wandte ihm aber noch immer den Rücken zu. Ihre Hände fuhren blitzschnell zu den Schultern, aber nur eine fand den Griff eines Schwertes, Jadestachel, das sie schräg auf dem Rücken trug. Bis vor Kurzem wa r d a noch ein zweites gewesen, Silberdorn, aber das hatte sie Niccolo mitgegeben, als sie sich am Lavastrom getrennt hatten.
Jadestachels Klinge fuhr blitzend aus der Scheide, als Wi s perwind herumwirbelte.
Feiqing schlug erschrocken die Hände vor die Augen und lugte erst nach einem Moment scheu zwischen den breiten Fingern hindurch. » Willst du mich jetzt umbringen, weil ich dein Geheimnis kenne? «
» Still! «
» Ich muss ja niemandem verraten, dass du Angst vor Gewi t tern hast. Auch wenn das natürlich ein großer Spaß wäre. Ich könnte –
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