Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht
hatte, da hatte er gespürt, wie der Junge von der Wolkeninsel das alles als Mythos abtat, als farbenfrohes Schöpfungsspektakel, wie es sie überall auf der Welt zu Hunderten gab. Feiqing aber war mit dieser Geschichte aufgewachsen, und Zweifel waren ihm nie in den Sinn geko m men.
Bis heute, da mit einem Mal das Schicksal der Welt davon abhängen sollte.
Während die Geheimen Händler fragende Blicke tauschten, fuhr der König der Riesen fort: » Der Tod der Xian mag verhi n dern, dass die Götter in den Krieg zwischen dem Aether und den Sterblichen eingreifen. Aber ich fürchte, dass der Aether weit Schlimmeres plant. Noch ist er nicht viel mehr als eine Schicht aus Drachenatem, die über dem Himmel liegt und die Schö p fung Pangus umschließt. Reicht das aus, um einen Krieg gegen das Leben selbst zu führen? Wohl kaum. «
Feiqing verstand nicht, worauf Maginog hinauswollte, und auch auf den Gesichtern der Händler zeigten sich im Facke l schein erste Anzeichen von Ungeduld.
Nur Wisperwind stand weiterhin ungerührt am Rand der Titanenmauer, einen einzigen Schritt vom Abgrund entfernt, und blickte zu den Schattenaugen des Riesenkönigs empor. » Natü r lich! «, rief sie. » Die ganze Zeit übe r h aben wir angenommen, der Aether sei diese vage, unfassbare Macht, die uns alle vernichten kann … irgendwie vernichten kann, ohne dass wir wirklich wussten, auf welche Weise er das tun will. «
» Weil euch das wichtigste Bruchstück seines Plan gefehlt hat, der eine Hinweis, auf den ihr unmöglich von selbst stoßen konntet. « Der König der Riesen klang nun beinahe milde. » Ihr sagt, die Drachen haben sich in die Heiligen Grotten der Himmelsberge zurückgezogen. Dabei haben doch sie als Allerletzte einen Grund, vor ihm zu fliehen, denn er speist sich aus ihrem Atem: Solange die Drachen leben, lebt auch der Aether. «
Ein Gildenmeister rief: » Dann müssen die Drachen sterben! Ihr Ende bedeutet auch den Untergang des Aethers! «
Heftiger Aufruhr folgte auf diesen Vorschlag, erboste Wide r worte aus den Reihen der Geheimen Händler und ein unheilvolles Knurren aus dem Schlund des Riesenkönigs. Seit jeher galten die Drachen in China als heilig und unantastbar.
» Ihr täuscht euch «, sagte Maginog. » Die Drachen sind nicht das Verhängnis der Welt – tatsächlich sind sie ihre Rettung! Sie haben sich nicht in die Himmelsberge zurückgezogen, um sich dort zu verstecken. In Wahrheit sind sie dorthin gegangen, um etwas zu beschützen. Etwas, das dort seit so langer Zeit begr a ben liegt, dass außer Drachen und Riesen kaum einer sich noch daran erinnern kann. Selbst die Xian kennen nicht das wahre Mysterium dieser Berge. «
Feiqing drängte sich zwischen den Händlern hindurch , bis er Wisperwind erreichte. Der schwarze Abgrund tastete mit Sturmfingern nach ihm, aber er ließ sich davon nicht abhalten. Plötzlich glaubte er vieles zu verstehen; das Stückwerk aus Wissenssplittern setzte sich vor seinen Augen zusammen wie ein Mosaik.
» Pangu «, flüsterte er.
Er hatte nicht damit gerechnet, dass der König der Riesen ihn hören oder überhaupt nur wahrnehmen würde . Doch Maginog neigte den gewaltigen Schädel ein wenig weiter vor, um den Rattendrachen in Augenschein zu nehmen.
» In der Tat «, kam es dröhnend aus seinem Schlund. » Der Vater aller Riesen, der Schöpfer der Welt … Pangu liegt unter den Himmelsbergen begraben, und er ist es, auf den es der Aether abgesehen hat. «
» Ein Körper «, platzte Wisperwind heraus. » Mehr als alles andere benötigt der Aether einen festen Körper, um seinen Krieg gegen die Welt zu führen. Das also ist es! «
» Der Aether wird versuchen, in Pangus Leib zu fahren «, bestätigte der König der Riesen. » Und die Erschütterungen im Chi der Erde deuten darauf hin, dass der Kampf bereits bego n nen hat. Was ist ein Verstand ohne Körper ? Ohne Arme und Beine, die ihm gehorchen? Und der Aether ist nicht auf irgen d einen Körper aus, sondern auf den größten, der je existiert hat. Auf jenes Wesen, das einst den Himmel auf seinen Schultern trug. Und wieder sind die Drachen Segen und Fluch zugleich. Ihre Magie ist vielleicht mächtig genug, Pangus Körper vor dem Zugriff des Aethers zu bewahren – doch zugleich sind sie es auch , oder besser: ihr Atem, der es dem Aether erlaubt, in die Tiefen der Himmelsberge vorzudringen. Allein ihre Anwese n heit in den Bergen schafft eine Verbindung zu den Regionen jenseits des Himmels. Der Aether kann der Spur ihres
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