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Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant

Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant

Titel: Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Kontinent fortgerissen, der sie einstmals getrennt hatte; nun stürzten sie hinab in die Grube, die zurückgeblieben war, und überrollten einander mit Strömungen, die sich selbst zu verschlingen drohten.
    Wahre Magie ist nicht sichtbar, nicht wenn sie so machtvoll und alt ist wie jene, der sich die Gegner in diesem Krieg bedienten. Sie zeigt sich nicht als Blitzgewitter oder Feuerball, sie donnert nicht oder sprüht Funken und Sterne. Stattdessen ist sie lautlos wie Gift, unsichtbar wie ein kalter Wind um Mitternacht - und sie kann mörderisch sein wie ein falsches Wort zur falschen Zeit, ein böser Gedanke, der Zwietracht sät, oder ein Befehl, der anderswo und von anderen ausgeführt wird.
    Die Drachen ruhten am Boden der Höhle, in tiefe Trance versunken, die ihre Körper erbeben und zittern ließ wie unter einer Flut von Albträumen. Der Aether umschwirrte und umwogte sie, wie er es immer tat, und ein unwissender Beobachter hätte meinen können, sie hätten sich zum Schlafen hierher zurückgezogen. Aber der Krieg, von dem Yaozi gesprochen hatte, fand jenseits ihrer körperlichen Existenz statt, auf einer geistigen Ebene, die hier und doch nicht hier war, auf dem Schlachtfeld der Magie.
    Manche stießen dann und wann ein heftiges Grollen oder Stöhnen aus, wenn die Mächte des Aethers mit unsichtbaren Pranken auf sie einschlugen; andere lagen so ruhig, dass man auch sie für tot hätte halten können, wäre da nicht ein hektisches Zucken ihrer Lider gewesen, ein plötzlicher Windstoß aus dem Nirgendwo, der ihre Mähnen aufwirbelte, oder ein Scharren ihrer Krallen auf Fels.
    »Warum zeigst du mir das alles?«, fragte Nugua.
    »Damit du verstehst.«
    Sie schwieg einen Moment, dann kletterte sie aus dem Geweih auf seine Stirn, glitt zwischen den Augen hinab auf seine Schnauze und ließ sich an einem langen Schnurrhaar zum Boden hinunter, ehe er noch reagieren und sie mit einem seiner Fühler ergreifen konnte. Diesmal musste sie sich nicht zwingen, den Blick von dem Schauspiel der träumenden, kämpfenden, sterbenden Drachen abzuwenden, als sie ihnen den Rücken zuwandte, sich vor Yaozi aufbaute und die Hände in die Taille stemmte.
    »Damit ich verstehe?«, wiederholte sie mit belegter Stimme. »Dass du mich damals zurückgelassen hast? Oder dass du vorhast, es ein zweites Mal zu tun?«
    »Nugua, bitte, ich -«
    Es war nicht leicht, einem Drachenkönig über den Mund zu fahren, aber sie ließ sich seit jeher weder von seiner Größe noch von seiner machtvollen Stimme beeindrucken. Die plötzliche Schärfe ihres Tonfalls brachte ihn zum Schweigen wie ein Kind. »Du und die anderen ... ihr seid hergekommen, um zu sterben, nicht wahr? Keiner von euch wird das hier überleben.«
    Er legte die Drachenschnauze vor ihr ab, so dass sich die weichen Lefzen auf dem Fels ausbreiteten. Tiefer Gram lag im Blick seiner sanften Augen. »Wenn keiner von uns überlebt, bedeutet das wahrscheinlich, dass wir die Unterlegenen waren. Dann wird niemand überleben, nicht hier und nicht anderswo auf der Welt.«
    Sie tat seine Worte mit einer Handbewegung ab. »Ich bleibe bei euch. Ganz egal, was passiert.«
    Sein Seufzen drang als Sturm aus seinen Nüstern, der sie beinahe umgeworfen hätte. »Das hier ist nichts für Menschen, Nugua.«
    »Und warum spielt ihr euch als Wächter über die Welt auf?« Ihre Stimme drohte jetzt überzukippen und sie hasste das. »Wer hat euch die Aufgabe übertragen, das hier zu tun?«
    »Keiner.« Er klang erschöpft und müde. Vielleicht hatte er von dem Sturz Knochenbrüche davongetragen. Als ihr der Gedanke kam, dass er vielleicht größere Schmerzen hatte, als er zugeben wollte, kroch eine Gänsehaut über ihre Arme. »Es ist keine Aufgabe «, sagte er. »Es ist eigentlich auch keine Verpflichtung. Wir tun es, weil wir es können. Und weil wir nicht unschuldig sind an dem, was geschieht.«
    »Etwa, weil ihr atmet?«, rief sie aus. »Niemand kann euch deshalb einen Vorwurf machen!«
    »Wenn wir uns nicht für die Welt opfern, wird es keinen mehr geben, der über so etwas Engstirniges wie Vorwürfe nachdenken könnte.«
    Dass er Recht hatte, machte sie noch wütender. »Ich bleibe«, sagte sie fest. »Ich bin eine von euch. Ich gehöre hierher.«
    Einer seiner Fühler schob sich blitzschnell heran, legte sich um ihre Hüfte und hob sie vom Boden.
    »Nein!«, stieß sie schluchzend aus. »Lass mich sofort wieder runter!« Mit beiden Fäusten hämmerte sie auf den goldenen Muskelstrang ein, aber den

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