Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant
erschien das Plateau gewaltig; für die Drachen aber war es kaum mehr als ein Sims.
»Yorotau!«, rief er. »Was habt ihr noch gesehen?«
»Warte.« Der Drache behielt seinen Artgenossen draußen über dem Abgrund im Auge. Wahrscheinlich sprach der Späher in Gedanken zu den anderen, denn einige von ihnen stellten mit einem Mal beunruhigt ihre Mähnen auf.
»Dann ist es also wahr!«, rief Yorotau nach einigen Minuten. »Wir haben nicht nur den Quell des Lavastroms gefunden, sondern auch den Ursprung der Juruplage.«
»Was?«, entfuhr es Niccolo. »Hier?«
Yorotau schob den Schädel nach vorn und nahm Witterung auf. Seine Nüstern erbebten. Schließlich wandte er sich wieder an Niccolo: »Glaubst du, du überstehst diese Hitze noch ein wenig länger?«
»Ja ... schon.« Er wollte den Drachen nicht zur Last fallen und erst recht keinen wichtigen Entdeckungen im Wege stehen.
»Wir müssen Gewissheit haben«, rief Yorotau.
Einer der anderen Drachen hob langsam den Kopf und blickte Niccolo von der Seite an. Hier im Felstunnel war das Glühen der Drachenschuppen wieder so intensiv wie eh und je und seine Augen leuchteten golden. »Du kannst in meinen Hörnern sitzen, wenn du willst, Menschenjunge. Du musst nicht mit Yorotau dort hinausgehen.«
Niccolo schüttelte den Kopf. »Ich will es auch sehen!«
Yorotau lachte. »Dann los!«
Der Späher hatte sich wieder zurückgezogen, das Plateau lag leer vor ihnen. Yorotau setzte sich in Bewegung und glitt aus dem Tunneleingang. Sein Schuppenleib scharrte über das heiße Gestein. Die Luft brannte in Niccolos Hals und Lungen, der Schweiß verdampfte, sobald er aus seinen Poren trat. Sein Gesicht fühlte sich an wie bei einem starken Sonnenbrand. Am schlimmsten war, dass sich Yo-rotaus Geweih allmählich aufheizte und er sich kaum noch daran festhalten konnte. Allzu lange durften sie hier nicht bleiben, sonst würde er das Gleichgewicht verlieren und hinunter auf den glühend heißen Boden stürzen.
Sie erreichten die Kante und spähten durch die wabernde Luft hinüber zum Lavafall. Trotz der kilometerbreiten Kluft zwischen ihnen und der Felswand, aus der sich das flüssige Gestein in die Tiefe ergoss, war die lodernde Sturzflut hoch und breit genug, um Niccolos halbes Blickfeld einzunehmen. Viele Hundert Meter unter ihnen ergoss sie sich in einer Explosion aus turmhohen Spritzern zu Boden. Dort hatte sich ein Netzwerk aus Lavaseen und glühenden, vielfach verästelten Strömen gebildet. Dass diese Glutmassen von hier aus unter der Erde entlang bis zu den fernen Lavatürmen fließen sollten, überstieg Niccolos Vorstellungskraft.
Die Hitze war kaum mehr zu ertragen. Er hatte das Gefühl, dass seine Augenbrauen schmorten, wagte aber nicht, sie zu berühren, aus Sorge, seine Befürchtung könnte bestätigt werden. Yorotau lag noch immer an der Felskante und sah hinaus in die kochende Hölle des Abgrunds. Niccolo folgte seinem Blick, musste aber alle paar Sekunden schmerzerfüllt die Augen schließen und das Gesieht abwenden. Er fragte sich, warum die Hitze hier so viel schlimmer war als unterhalb der Lavatürme; es musste damit zu tun haben, dass sie sich in einer geschlossenen Grotte befanden, unvorstellbar groß zwar, aber doch durch kilometerdicken Fels von der Außenwelt abgeschnitten. Die heiße Luft staute sich hier wie unter dem Deckel eines Kochkessels. Nichts konnte an einem solchen Ort auf Dauer überleben.
Und trotzdem - dort unten, das sah er jetzt, bewegten sich dunkle Punkte an den Ufern der Lavaflüsse. Nicht nur ein paar, wie er anfangs angenommen hatte, sondern ganze Scharen. Und je öfter er hinsah, desto mehr von ihnen entdeckte er, wimmelnde Nester, die den Fels zwischen den glutheißen Strömen bevölkerten. Die umherspritzende Lava schien ihnen nichts auszumachen, denn sie krochen selbst aus dem flüssigen Gestein wie die allerersten Lebewesen aus der Ursuppe von Pangus Schöpfung, blieben kurz am Ufer liegen und versuchten gleich darauf, so schnell wie möglich von dort fortzukommen, mit plumpen, panischen Bewegungen.
Sind das Jurut, wollte er Yorotau zurufen, aber die unmenschliche Hitze verhinderte, dass ein Laut über seine aufgesprungenen Lippen drang. Für einen Augenblick hatte er vor Erstaunen sogar den Schmerz vergessen, der nun umso machtvoller und kaum noch erträglich zurückkehrte.
Einmal mehr nahm Niccolo all seine Willenskraft zusammen und starrte mit verkniffenen Augen hinüber zum Lavafall. Rund um die Öffnung, aus der sich die
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