Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant
zieht sich immer enger zusammen. Maromar wird Unterstützung schicken - aber es wird lange dauern, bis sie hier ist.«
»Ich dachte, Drachen können Wege verkürzen wie die Xian?«
»Draußen im Freien, ja. Aber nicht im Inneren dieser Berge. Die Gefahr, mitten im Gestein zu enden, ist zu groß. Das würde selbst uns töten.«
»Aber zu fünft habt ihr keine Chance gegen ... wie viele? Tausend Juru? Fünftausend?« Die Wahrheit war, dass es nicht den leisesten Anhaltspunkt gab, wie viele Juru tatsächlich in diesen Höhlen lauerten. Ebenso gut mochte es die zehn- oder hundertfache Menge sein.
»Es gibt nur einen Weg: Die Wunde in Pangus Leib muss verschlossen werden«, sagte Yorotau. »Ganz gleich um welchen Preis. Dann wird es keine neuen Juru mehr geben.«
»Ihr seid zu wenige!«
»Wir sind Drachen aus dem Clan Maromars.«
»Und verrückt!«
»Nur verzweifelt.«
»Das ist keine gute Voraussetzung für einen Kampf.«
»Doch, mein Freund«, widersprach der Drache mit einem Schnauben. »Sogar die beste.«
Drachenruf
Niccolo blieb im Tunnel zurück und sah zu, wie sich die fünf goldenen Giganten hinaus auf das Plateau bewegten. Obwohl noch Tausende von Metern zwischen ihnen und dem Lavafall auf der anderen Seite des Abgrunds lagen, sah es für Niccolo aus, als würden sie von der Glut verschluckt: Erst ließ das Glühen ihre Umrisse verschwimmen, dann überstrahlte es das Gold ihrer Drachenschuppen und ließ sie matt und farblos erscheinen. Schließlich schloss sich die Helligkeit hinter ihnen wie ein feuriger Vorhang. Niccolo konnte die Drachen jetzt nur noch erahnen.
Er selbst stand mehr als dreihundert Meter von dem breiten Tunnelausgang entfernt, ein waagerechter Streifen, gerade hoch genug, dass die Drachen mit ihren Hörnern und wallenden Mähnen nebeneinander hindurchkriechen konnten. Die Hitze war auch hier noch schrecklich, aber sie schmerzte nicht mehr so höllisch wie weiter vorn am Abgrund. Der Boden war aufgeheizt, glühte aber nicht. Yorotau hatte Niccolo beschworen, ihm und den anderen Drachen auf keinen Fall zu folgen; weiter vorn war der Fels so heiß, dass er Niccolos Beine in Brand setzen würde.
Den Drachen machte die Glut nichts aus. Sie blieben dort draußen eng nebeneinander liegen, eine ungeheure Masse aus Schuppen, Muskeln und Klauen. Was die fünf Kolosse taten, blieb Niccolo ein Rätsel. Doch dass sie etwas unternahmen, daran gab es bald keinen Zweifel mehr. Es begann damit, dass sich Niccolos Haut trotz der schweißtreibenden Wärme mit einer Gänsehaut überzog. Plötzlich spürte er einen Druck, der ihn tiefer in den Tunnel drängte, kein Windstoß, sondern ein unsichtbares Gewicht, das gegen ihn presste. Seltsamerweise fühlte er es vor allem an den Augäpfeln und in der Magengrube. Ihm wurde übel davon und trotzdem weigerte er sich, weiter zurückzuweichen.
Der Druck wurde stärker und nun musste er sich mit aller Kraft dagegenstemmen, um nicht fortgeweht zu werden. Dann aber wurde er gepackt und nach hinten gestoßen. Mit einem Aufschrei verlor er den Boden unter den Füßen, während das Glutlicht zurückblieb und die Finsternis näher rückte. Er stürzte, schlitterte noch ein gutes Stück weiter über blankes Gestein und prallte schließlich gegen einen Felsbuckel, vor dem er mit schmerzendem Rücken und geprellter Schulter liegen blieb.
Etwa fauchte über ihn hinweg, vielleicht eine zweite Druckwelle, hundertmal stärker als die erste. Sie erinnerte ihn vage an etwas in der Vergangenheit und ein paar Herzschläge später wusste er wieder, woran: Bei seiner ersten Begegnung mit Mondkind hatte sie einen solchen unsichtbaren Stoß erzeugt, um die fliegenden Schwerter Guo Laos abzuwehren. Doch das, womit er es hier zu tun hatte, war sehr viel älter und mächtiger als alle Kräfte, über die Mondkind gebot.
Er wagte nicht aufzustehen, aus Angst, eine weitere Druckwelle könne ihn erfassen und an den Felsen zerschmettern. Vorsichtig hob er den Kopf und blickte zum Tunnelende in der Ferne, jetzt noch viel kleiner, kaum mehr als ein heller Streifen in der glutdurchwaberten Finsternis. Er sah keine Drachen mehr, nur diesen winzigen Lichtspalt inmitten der Schwärze.
Plötzlich, innerhalb eines Herzschlags, schloss sich die Tunnelöffnung wie ein glühendes Auge. Ein urgewaltiges Donnern und Krachen ertönte, als wollte sich das Gebirge über Niccolos Kopf zusammenfalten. Ein Hagel aus kleinen Steinchen regnete auf ihn herab, Staub war mit einem Mal überall. Er riss
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