Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant
Sturzflut aus der Felswand ergoss, hatten sich Wälle aus erstarrter Lava gebildet wie schwarzer Schorf. Täuschte er sich oder wimmelte es auch auf ihnen von den winzigen, krabbelnden Punkten, die er weiter unten in der Tiefe entdeckt hatte? Immer wieder wurden ganze Knäuel von ihnen von der Lava erfasst und in den Abgrund gespült. Dass sie den Sturz überlebten, erschien ihm unwahrscheinlich, und doch krochen immer neue von ihnen dort unten aus den glühenden Flüssen und Lavateichen, gebückt und auf allen vieren, mit hängenden Schädelwülsten und ungelenken Bewegungen.
Yorotau hatte genug gesehen. Eilig schob er sich vom Plateau zurück in den Tunnel. Im Vergleich zu dort draußen fühlte sich die Luft hier beinahe frisch an. Rauch drang aus den Ritzen zwischen Yorotaus Schuppen. Entsetzt bemerkte Niccolo, dass seine eigenen Arme dampften. Im Goldlicht der Drachen war nicht zu erkennen, ob seine Haut gerötet war. Ein Hustenanfall schüttelte seinen Körper und diesmal wäre er fast aus Yorotaus Hornkrone gefallen.
Ein goldener Fühler fing ihn auf und setzte ihn zurück in die Geweihgabel. »Tut mir leid«, keuchte er und bezweifelte, dass irgendwer außer ihm es hörte.
Die Drachen berieten sich abermals stumm, und das ärgerte ihn. Er wollte teilhaben an dem, was sie besprachen, wenigstens hören, was sie zu sagen hatten.
Doch diesmal dauerte die Zwiesprache der Kolosse nicht lange. Während Niccolo noch abkühlte, rief Yorotau: »Weißt du überhaupt, was wir da entdeckt haben?«
»Die Quelle des Lavastroms«, krächzte er. »Und die Brutstätte der Juru.«
»Mehr als das«, entgegnete der Drache. »Der Spalt, aus dem die Lava fließt, ist nicht einfach irgendein unterirdischer Vulkan. Das da vorn ist eine Wunde in Pangus Leib!« Yorotau deutete mit einer Fühlerspitze über das Plateau und den Abgrund. »Die Felswand dort drüben ist ein Stück seiner Haut. Der Spalt darin muss eine uralte Verletzung sein. Die Juru werden aus seinem Leib gespült wie eine Krankheit. Vielleicht sind sie genau das - eine Seuche, die den Körper des Ur-Riesen schon vor Äonen befallen hat. Aber je heftiger die Lava versucht sie aus der Wunde zu spülen, desto mehr von ihnen entstehen. Wie Maden in einem toten Stück Fleisch. Über die Jahrtausende müssen sie sich von hier aus über ganz China verbreitet haben.«
»Ich dachte, die Juru fürchten sich vor Feuer.«
»Vielleicht macht gerade das sie zu solchen Bestien. Sie werden aus Feuer geboren. Ihre erste Empfindung, noch während der Geburt, ist Furcht. Diese Angst muss tief in ihren Herzen sitzen.«
Das Erste, was die Juru erblickten, war ausgerechnet das, was sie ein Leben lang am meisten fürchten würden. Oder war es umgekehrt? Ängstigte sie das Feuer, weil es sie überhaupt erst zur Welt gebracht hatte? Weil ihre erste Erfahrung Hitze war - und Schmerz?
Plötzlich kam Niccolo ein Gedanke. »Wenn es so viele sind«, er deutete in Richtung der brodelnden Lavahölle, »dann müsste es in den Höhlen nur so von Juru wimmeln.
Aber auf dem Weg hierher haben wir keinen einzigen gesehen. «
Der Drache nickte. »Du hast Recht«, sagte er bedrückt. »Als wir vor einem Jahr herkamen, um Pangus Herz vor dem Aether zu schützen, da haben wir viele von ihnen getötet und noch mehr vertrieben. Aber selbst das waren nur ein paar verglichen mit denen, die hier Tag für Tag aus Pangus Leib gespült werden. Das da unten können nicht alle sein.«
Niccolo erkannte, worauf der Drache hinauswollte. »Sie sammeln sich«, flüsterte er. »Sie sammeln sich irgendwo im Verborgenen.«
»Genau das befürchten wir«, bestätigte der Drache. »Und falls sie vorhaben, uns in den Rücken zu fallen, werden wir sie nicht besiegen können. Nicht, solange hier unten wieder und wieder neue entstehen. Wir können Tausende von ihnen vernichten, aber ihre Reihen werden sich immer wieder schließen.«
»Aber ... dann ist es aussichtslos, oder? Wenn Tausende Juru die Drachen in der Herzkammer angreifen, wird der Aether siegen. Oder könnt ihr den magischen Schild um das Herz aufrechterhalten und zugleich gegen diese Kreaturen kämpfen?«
»Nein«, erwiderte Yorotau. »Aber wir können versuchen hier unten etwas zu bewirken.«
Niccolo schnappte nach Luft. »Ihr wollt sie angreifen? Zu fünft?«
»Wir haben eine Botschaft an Maromar und die anderen gesandt. Aber viele werden es nicht sein, die uns zu
Hilfe kommen. Die meisten von uns werden in der Herzkammer gebraucht. Das Netz des Aethers
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