Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant
Juru wie eine Flut, die durch die Heiligen Grotten tobt.«
In der Umarmung des Fühlers schwebte Niccolo höher, bis er sich im Geweih des Drachen festklammern konnte.
»Der Aether hat die Juru von der Kette gelassen, um uns den Todesstoß zu geben«, sagte der Drache. »Wenn sie die Herzkammer erreichen, ist sein Sieg nicht mehr abzuwenden. «
Die drei Kolosse wälzten sich herum. Ihre Schuppenleiber knirschten und scharrten auf losem Gestein, als sie den Rückweg nach oben antraten.
Niccolo nahm die Umgebung wie durch einen Schleier wahr, alles war dumpf und benebelt, so als hielte er den Kopf unter Wasser. »Dann ist alles verloren?«, fragte er wie betäubt.
»Spätestens in ein paar Stunden werden die magischen
Schilde fallen.« Die Stimme des Drachen klang weit entfernt und hallte verzerrt in Niccolos Ohren nach. »Und wenn der Aether in Pangus Herz fährt und der Ur-Riese erwacht, dann wird weit mehr enden als nur unser aller Leben.«
Der Pakt
Nugua war übel vor Sorge, als sie allein hinaus auf die Felsplattform vor dem Portal der Heiligen Grotten trat. Sie trug Lis Schaufellanze in der Hand und pflanzte sie neben sich auf. Aus dem Tal am Fuß der gewundenen Steintreppe wehten Schatten und Kälte herauf.
Vier Kapitäne der Geheimen Händler erwarteten sie auf dem Plateau. Ihre weiten Umhänge und Pluderhosen flatterten, die Federn in ihrem Haar sträubten sich raschelnd gegen die Gebirgswinde.
»Yaozi schickt mich«, sagte Nugua mit aller Würde, die sie unter diesen Umständen zu Stande brachte. Dies war ihre Gelegenheit, um zu beweisen, dass tatsächlich etwas von einem Drachen in ihr steckte - obgleich sie das im Augenblick am allerwenigsten kümmerte.
Die vier Händler blickten düster über sie hinweg zum Eingang der Dongtian. Das Portal klaffte als dunkler Spalt hinter Nugua in der Felswand. Die Männer erwarteten wohl, dass Yaozi oder ein anderer Drachenkönig sein Haupt ins Freie schöbe. Als das Tor jedoch leer blieb, dämmerte ihnen, dass Nugua tatsächlich allein war.
»Die Drachen haben dich geschickt, um mit uns zu verhandeln?« Aus seinen stechenden Eulenaugen blickte der älteste der Kapitäne sie an wie ein Raubvogel, der eine Maus inmitten seiner Brut entdeckt hat. »Sie schicken uns ein Kind?«
Seine Worte trafen Nugua. Nicht weil sie sie als Beleidigung empfand - viel schlimmer war, dass sie seinen Standpunkt verstehen konnte. Sie mochte kein Kind mehr sein, aber das war Haarspalterei. Die Händler hatten einen oder gleich alle Drachenkönige erwartet, und stattdessen stand da nun - sie.
»Ich bin befugt, im Namen der Könige zu sprechen.« Ihre Hand schloss sich fester um den Schaft der Lanze. »Ihr werdet mit mir vorliebnehmen müssen.«
»Das ist lächerlich!«, rief einer der Männer.
»Du bist ein Mädchen!«, entfuhr es einem anderen, der mehr Federn trüg als alle übrigen zusammen.
»Was genau stört dich daran?«, gab sie zurück. »Dass ich jünger bin als du, oder weiblicher?«
Der Mann plusterte sich zu einer scharfen Entgegnung auf, aber der Älteste beschwichtigte ihn mit einer Geste. »Was ist geschehen?«, fragte er.
Die Entscheidung, den Händlern die Wahrheit zu sagen, war unter den Drachenkönigen keineswegs einhellig gewesen. Maromar hatte abgeraten, Zugolu gezögert, aber Yaozi hatte sich durchgesetzt. Wenn man die Geheimen Händler als Verbündete akzeptieren wolle, hatte er gesagt, dann könne das nur durch Offenheit geschehen.
»Es hat begonnen«, sagte sie. »Und es sieht nicht gut aus.«
»Was bedeutet das?«, fragte ein Kapitän.
»Während wir hier stehen und reden, tobt in den Tiefen der Grotten eine Schlacht.« Nugua war nicht einmal in der Nähe der Herzkammer gewesen, als der Angriff der Juru begonnen hatte, und sie wusste nur das, was Yaozi ihr erzählt hatte. Doch sie hatte die Trauer in seinen Goldaugen gesehen und sie konnte sich nicht erinnern, dass jemals zuvor Verzweiflung in seiner Stimme gelegen hatte. Maromar, Zugolu und ich müssen hinunter, um den anderen beizustehen, hatte er gesagt. Geh allein zu den Händlern und erzähle ihnen alles.
Sie hatte sich geweigert. Sie hatte getobt. Sie hatte gesagt, dass sie bei ihm bleiben wolle, ganz gleich wie gefährlich es sein mochte. Aber zu guter Letzt hatte sie getan, was er verlangte. Und nun war sie hier, und am liebsten hätte sie geschrien vor Hilflosigkeit.
»Tausende Juru sind aus ihren Verstecken in den unteren Höhlen gekrochen«, fuhr sie fort. »Sie strömen durch die
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