Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant
erklärt manches. Dann warst also du es, die ich hier unten zwischen den Felsen gespürt habe. Du hast die Macht des Tao eingesetzt. « Er ließ ihr keine Zeit zu einer Erwiderung, blickte hinab auf die Überreste eines Juru und beantwortete seine eigene Frage. »Ja, das musst wohl du gewesen sein. In der Dunkelheit hätte ich euch aus der Luft kaum bemerkt, aber als du das hier getan hast, war es wie ein Leuchtfeuer in der Nacht.«
Kangan schleppte sich auf Wisperwind und Feiqing zu. Er schien eine Ewigkeit für die wenigen Schritte zu brauchen. Durch die Schleier aus Schwindel und Mattigkeit sah sie, dass auch er sich nur mit Mühe aufrecht hielt. Er war unbewaffnet wie sie selbst und hielt den rechten Oberarm mit der linken Hand umklammert. Blut sickerte zwischen den Fingern hervor. Auch in seiner Wange klaffte ein glänzender Riss.
»Feiqing«, stöhnte sie. »Was ist mit dir? ... Bist du ... verletzt?«
Er schüttelte hektisch den Drachenkopf. »Du hast gesagt, ich soll weglaufen! Das hast du doch, oder? Also bin ich weggelaufen und ... und ich hab mich versteckt. Die ganze Zeit über. Ich bin gestolpert und bestimmt hab ich blaue Flecken am ganzen Leib ... also, unter dem Kostüm, heißt das ... Aber ich hätte gekämpft, wenn es nötig gewesen wäre. Ganz bestimmt sogar.«
»Schon gut«, ächzte sie und zwang sich zu einem fahlen Lächeln. »Du hast alles ganz richtig gemacht.«
»Wirklich, ich wollte -«
Sie hob angestrengt eine Hand und berührte ihn am Arm. »Ich weiß«, unterbrach sie ihn. »Das weiß ich wirklich.« Sie hatte nicht vergessen, dass er zuletzt, als der Kampf entschieden schien, sein Versteck verlassen hatte, um mit ihr und Kangan zu sterben. Manchmal war er mutiger, als er selbst ahnte.
Feiqing nickte aufgeregt, ehe ihm offenbar einfiel, dass er sich beim letzten Zusammentreffen mit Guo Lao vor dem Xian gefürchtet hatte. Aber statt zurückzuweichen, verschränkte er nun entschlossen die Arme vor der Drachenbrust, versuchte es jedenfalls, gab aber auf, weil sie nicht um den dicken Leib reichten. Trotzdem trat er dem Unsterblichen entgegen, als wollte er Wisperwind und Kangan beschützen.
»Dich kenne ich«, sagte Guo Lao finster. »Du bist auf der Lichtung gewesen, als ich gegen Mondkind gekämpft habe. Du warst bei diesem Jungen, bei Niccolo.«
Feiqing hob eine wulstige Braue. »Du kennst seinen Namen?«
»Ich bin ihm noch einmal begegnet.«
»Wo ist er?«
Der Xian verzog das Gesicht. »Bei den Drachen. Zusammen mit Mondkind und dem anderen Mädchen.«
Wisperwind sah, wie Feiqing vor Erleichterung fast in die Knie ging. Um ein Haar hätte er das Gleichgewicht verloren. Auch von ihr selbst fiel eine Bürde ab. Also hatten Niccolo und Nugua es in die Dongtian geschafft. Ob sie dort im Augenblick jedoch sicher waren, stand auf einem anderen Blatt.
»Was geht dort vor?«, fragte sie. Der Felsen, an dem sie lehnte, versperrte ihr die Sicht auf das Südende des Passes und den Feuersturm über den Gipfeln.
Guo Lao seufzte und murmelte etwas. Schlagartig zerfielen die Schwerter in den Leichen der Juru zu dunklem Staub. »Ich bin nicht sicher, was unten in den Grotten geschieht. Aber vor ihrem Eingang tobt eine Schlacht. Eine Flotte Geheimer Händler ist aufgetaucht - eigentlich zwei Flotten. Und sie kämpfen miteinander. Eine Handvoll Schiffe verteidigt das Portal. Die anderen haben Soldaten im Tal abgesetzt. Während sich am Himmel die Gildenschiffe mit ihren Kanonen unter Feuer nehmen, rücken die Krieger gegen das Tor vor.«
Kangan stieß ein gequältes Keuchen aus. »Ich muss zur Abendsternl Xu und die anderen brauchen mich.«
Guo Lao schenkte ihm einen zweifelnden Blick. »In deinem Zustand wirst du keine Schlachten mehr schlagen.«
Der Hauptmann wusste genau, wie es um ihn stand, darum widersprach er nicht. »Ich habe nicht vor, mit Messer und Armbrust zu kämpfen. Aber jemand muss unsere Truppen anführen. Jemand muss -« Er brach ab, als eine düstere Ahnung seine Gedanken durchkreuzte. »Ist das die Abendstern, die dort brennt?«
»Ich kenne die Namen eurer Schiffe nicht«, antwortete Guo Lao. »Und es ist länger als eine Stunde her, seit ich die Feuer aus der Nähe gesehen habe. Mindestens zwei Schiffe sind abgestürzt, aber das waren keine von euren, keine aus China. Drei andere standen in Flammen, hielten sich aber noch in der Luft. Ist es nicht überraschend, wie lange Schiffe aus Papier einem Feuer standhalten können?« Aufrichtiges Erstaunen lag in seiner
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