Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant
seiner Stelle genauso ausgefallen wäre?
Guo Lao sah hinüber zum Tor. Der goldene Spalt im Gebirge lag vernebelt hinter dichtem Rauch, aber seine Augen schienen die Schwaden mühelos zu durchdringen. »Die Drachen werden unterliegen«, stellte er fest.
Feiqings Stimme überschlug sich: »Warum, bei allen Göttern, hilfst du ihnen dann nicht? Lass Schwerter auf ihre Gegner herabregnen! Oder tu sonst irgendwas!«
Der Xian atmete tief durch, als wollte er den ätzenden Qualm tief in seine Lungen saugen, um sich selbst zu bestrafen. »Nichts, das in meiner Macht liegt, könnte diese Schlacht jetzt noch entscheiden. Es gäbe nur noch mehr Tote. Wisperwind hat Recht: Ihren Ausgang wird keiner von uns mehr verändern.«
»Dann hilf mir!«, verlangte Kangan beharrlich. »Trag mich an Bord meines Schiffes.«
Guo Lao schenkte dem Hauptmann einen Blick, mit dem er an einem anderen Tag die Schärfe einer Klinge geprüft hätte. »Wird das etwas bewirken?«
»Für mich, ja. Und für meine Leute an Bord. Sie werden neue Hoffnung schöpfen, wenn sie erfahren, dass ich am Leben bin.« Aus dem Mund eines anderen hätte das wie Prahlerei geklungen. Kangan aber sprach ganz ernst und sachlich, und jeder von ihnen, sogar der Xian, fühlte, dass er die Wahrheit sagte.
»Nun gut«, entschied Guo Lao. »Dann komm!«
Kangan berührte Wisperwind an der Hand. »Es muss sein.«
Sie sah in seine schwarzen Raubvogelaugen und nickte. »Ich würde dasselbe tun.«
Er zögerte, dann legte er ihr seine unverletzte Linke um die Schultern und umarmte sie. Es war eine kameradschaftliche Geste, ein Besiegeln ihrer Freundschaft, nichts sonst. Und doch verspürte Wisperwind für einen Augenblick etwas, das ihr für lange Zeit fremd gewesen war. Vielleicht war es gut, dass er ging.
Er löste sich von ihr, verabschiedete sich von Feiqing und kletterte hinter Guo Lao auf den Kranich.
Der Vogel stieß einen krächzenden Ruf aus, als er sich von dem Felsgrat abstieß und hinaus in die schwarzen Schwaden schoss.
Feiqing trat neben Wisperwind. Gemeinsam blickten sie dem Riesenvogel und seinen beiden Reitern nach. »Er wird mit den anderen sterben«, murmelte der Rattendrache.
»Wir werden alle sterben. Es wird Zeit, sich damit abzufinden.«
Feiqing blickte zum Portal, das sich als glühender Fleck durch die wabernde Finsternis der Qualmwände brannte. »Du bist sehr sicher, dass die Drachen den Aether nicht aufhalten werden.«
»Hast du etwa noch Hoffnung?«
Geistesabwesend klopfte er Ruß von seinem gestreiften Drachenbauch. »Eigentlich ist das Schwarzsehen meine Aufgabe, nicht deine.«
Als sie lächelte, spürte sie, wie sich in der heißen, staubtrockenen Luft ihre Mundwinkel spannten. »Machen wir das Beste daraus.«
»Was da wäre?«
Plötzlich stockte sie kaum merklich, dann klang ihre Stimme gehetzt: »Noch ein wenig länger überleben.«
Sein Blick streifte etwas, das sie schon einen Herzschlag zuvor entdeckt hatte. »Oh«, flüsterte er.
Da packte sie ihn auch schon, riss ihn im Federflug von den Beinen und raste mit ihm nach Westen, kaum einen Meter hoch über den Felsgrat hinweg - gerade so schnell, wie sie es mit ihm im Schlepptau vermochte, aber vielleicht doch nicht schnell genug.
Denn über dem Tal teilten sich die Qualmwolken, und heraus taumelte ein brennendes Gildenschiff auf sie zu, eine lodernde Feuerkugel von gigantischen Ausmaßen. Der flammende Bug schob einen Wall brodelnder Hitze vor sich her, der jetzt schon die beiden Fliehenden erfasste und Wisperwind beinahe aus der Luft gefegt und zu Boden gedrückt hätte.
Aber während das feurige Schiff immer näher kam, eigentlich rasend schnell, aber in ihren Augen so träge, als brenne es sich durch Schichten aus Eis, zog sie Feiqing im Federflug mit sich. Er war zu schwer, sie selbst zu erschöpft, aber im Angesicht ihres sicheren Todes mobilisierte sie ihre letzten Kräfte, so wie sie es schon einmal getan hatte, drüben auf dem Pass. Doch diesmal hielt sie das Götterschwert in einer Hand, und obgleich es ihr nicht alle Kraft zurückgeben konnte, die sie verbrauchte, so half es ihr doch dabei, sich und den Rattendrachen noch ein wenig länger in der Luft zu halten - gerade lange genug, um aus der Reichweite des brennenden Wracks zu kommen.
Das Gildenschiff prallte mit solcher Gewalt gegen die Felsen, als wollte es den Berggipfel spalten. Die Brücke explodierte in einer Wolke aus Feuer und Trümmern, genau dort, wo Wisperwind und Feiqing gerade noch gestanden
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