Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
Vom Netzwerk:
entschloß sie sich dazu, ebenfalls zwei Ponies vom Gut zu stehlen; es waren ältere, aber dafür trittsichere Reittiere. Später konnte sie ja, so hoffte Anelia, die Leyniers für den Diebstahl entschädigen. Jetzt aber war es nötig, daß sie sich so schnell und weit wie möglich von diesem Gut entfernten.
     
    Schon sehr früh am Tage des Ausfluges brachte Anelia die beiden Ponies zum Lagerhaus und belud sie dort. Nachdem die restliche Gesellschaft aufgebrochen und in den nebelverhangenen Bergen verschwunden war, betrat sie Marelies Zimmer, um dort wie jeden Morgen aufzuräumen. Während sie noch das Bett richtete, den Wasserkrug auffüllte und die Kleider ordnete, blickte sie immer wieder ängstlich zu dem Schmuckkästchen. Schließlich konnte sie es nicht länger hinauszögern. Als sie den Deckel hochhob, wußte sie instinktiv, daß Marelie im gleichen Augenblick den Alarm spüren würde. Sie schaute in das Kästchen. Der Schlüssel war nicht mehr da! Panische Angst fuhr ihr in die Knochen. Es war also alles umsonst gewesen! Verzweifelt kramte sie unter den Schmuckstücken.
    Da! Ganz zuunterst lag der Schlüssel!
    Sie schnappte ihn sich, schlug den Deckel des Kästchens zu und stürzte aus dem Zimmer.
    Während sie die Tür zu dem alten Gemäuer aufbrach, hoffte sie inständig, daß Vardin sie auch wirklich, wie versprochen, beschützen würde. Sobald sie hineingeschlüpft war, wollte sie die Laterne entzünden, aber ihre Hand zitterte so sehr, daß es ihr erst nach mehreren Versuchen gelang. Und als sie die Gänge zum Sarg entlangstolperte, schreckte sie immer wieder vor ihrem eigenen Schatten zurück, den die schwankende Laterne an die Wand warf.
    »Sei ganz unbesorgt!« Vardin sprach ihr Mut zu. »Hier ist niemand! Ich würde es sonst wissen.«
    Endlich erreichte Anelia den Sarg. Sie beugte sich darüber und versuchte, die spitz zulaufende Matrix in den Schlitz zu zwängen.
    »Nein, nicht so! Nicht hineinstecken!« riet Vardin ihr. »Leg es einfach flach auf das Schloß. Das hier ist ein Matrixschloß, da kommst du mit den normalen Methoden nicht weiter.« Zögernd tat sie, was Vardin ihr geraten hatte. Der Schlüssel sprühte bläuliche Funken und schmolz sich in das Schloß ein. Der Sargdeckel sprang schnappend auf. Plötzlich wurde Vardins Körper von konvulsivischen Krämpfen ergriffen, er wand und bäumte sich auf, und seine Arme und Beine zuckten in spasmischen Anfällen.
    Anelia wich entsetzt zurück. »Heilige Avarra! Es ist alles vergebens!« Vardin würde vor ihren Augen sterben!
    Aber allmählich ließen die Krämpfe nach. Zunächst rang er nach Luft, doch dann atmete er tiefer und ruhiger. Es war klar, daß sein Körper noch einige Zeit brauchte, um wieder zu Kräften zu kommen und seine volle Funktionstüchtigkeit wiederzuerlangen. Anelia näherte sich ihm, und als sie ihn zaghaft berührte, öffnete Vardin langsam die Augen. Er blickte sie verschwommen an, und seine bleichen Lippen formten die ersten Worten. »Ane Ane a.« Sie ergriff seine rechte Hand. »Ich … danke … dir.« Schon dies kostete ihn große Anstrengung. Anelia rannen die Tränen über die Wangen. Nach mehr als tausend Jahren war Vardin in seinen Körper zurückgekehrt.
    Obwohl er dringend Ruhe brauchte, wußte Anelia, daß dafür jetzt keine Zeit war. Sie mußten fliehen. Also zerrte sie Vardin förmlich aus seinem Sarg, bis er keuchend am Boden lag. Mit ihrem Laran konnte sie deutlich wahrnehmen, wie er sein schwaches Fleisch verfluchte, das seinem Willen nicht so gehorchen konnte, wie es sein Geistkörper getan hatte.
    »Es ist sehr viel schwerer als ich dachte«, brachte er etwas später mühsam hervor, als er sich gegen eine der Kisten abstützte. »Ich bin einfach nicht mehr daran gewöhnt.«
    Anelia drückte ihm aufmunternd die Hand. »Wir müssen sobald wie möglich hier verschwinden. Ich bin sicher, daß Marelie bereits weiß, daß ich etwas aus ihrem Kästchen entwendet habe, und bestimmt wird sie jemanden losschicken, um nach mir zu suchen.«
    »Du hast recht«, stimmte Vardin ihr zu. »Aber ich bin doch weitaus schwächer, als ich mir vorgestellt hatte.« Sie brauchten fast eine ganze Stunde, um sich schwankend bis zum Ausgang vorzukämpfen. Während Vardins Kräfte Stück um Stück zurückkehrten und die benötigten Ruhepausen immer kürzer ausfielen, wuchs auch Anelias Furcht, entdeckt zu werden, bis es ihr fast die Kehle zuschnürte. Als sie sich endlich dem Weg ins Freie näherten, legte sich plötzlich ein

Weitere Kostenlose Bücher