Das Wort des Hastur - 12
jetzt im Vergleich zu meinen Erinnerungen aussieht. Heutzutage ist alles so ganz anders. Und ich bin so froh und dankbar, daß ich nicht mehr allein bin, sondern daß du bei mir bist.« Er lehnte sich zu ihr und drückte ihre Hand. »Und wir haben noch ein ganzes Leben vor uns, das wir miteinander teilen können.«
GLENN R. SIXBURY
Das Urteil
Glenn Sixbury behauptet von sich, ein ›überzeugter Kansaner‹ und Einwohner von Manhattan, Kansas (nicht gerade der ›Big Apple‹) zu sein. Mit dieser Geschichte knüpft er an einige Erzählungen aus früheren Anthologien an und konnte damit gleichzeitig seine Schreibblockade überwinden. Zeitlich ist sie zwischen Landung auf Darkover und Herrin der Stürme angesiedelt. »Ich habe mir diesen Lord Aldaran immer als den Ururgroßvater von jenem Mikhael Aldaran vorgestellt, dessen aufbrausende und sture Art zu vielen der Handlungsverwicklungen in Herrin der Stürme führte.«
Glenn schreibt, daß er, ›solange mein erster sechsstelliger Vorschuß nicht eingetroffen ist, an der Kansas State University als Stellvertretender Rechnungsführer in der Abteilung für Fakultätsentwicklung, Unterabteilung Fortbildung, arbeitet. Wenn Sie diesen Bandwurm schon schwierig zu lesen finden, sollten Sie erst einmal probieren, ihn auf einer Visitenkarte unterzubringen.‹ Nein, danke.
Den ständigen moralischen Rückhalt für ›meine träumerische Veranlagung‹ findet er bei seiner Frau Brenda, seinen Kindern Brian und Amanda, und nicht zuletzt bei seiner Katze April, deren Aufgabe darin zu bestehen scheint, ›die meisten meiner Manuskripte ordentlich mit Katzenhaaren zu versehen, bevor ich sie verschicke.‹
Er schreibt weiter, daß seine Mutter, Carolyn Sixbury, alles tat, um seine Fantasie anzuregen, als er noch klein war. ›Trotz schwieriger Umstände, die die meisten Leute nie durchmachen müssen, hat sie meine Brüder und mich großgezogen. Ich möchte daher diese Geschichte meiner Mutter widmen.‹
Aber gerne doch!
Zweiundsiebzig Winter hatte Mikhael bereits hinter sich, aber heute fühlte er sich älter als je zuvor. Seine langen, grauen Haare fielen ihm wie ein zu Eis erstarrter Wasserfall auf die Schultern, und die Falten – Zeugen der vielen schwerwiegenden Entscheidungen, die er zu fällen gehabt hatte – gruben sich tief in sein Gesicht.
Auch heute würde er ein Todesurteil verkünden müssen, und wie jedesmal graute ihm davor, mehr als vor seinem eigenen zeitlichen Ende auf Darkover. Seine müden, silbrig-blauen Augen blickten im Verhandlungssaal umher, dessen Mauern im selben Jahr errichtet worden waren, als er seine Regentschaft als Lord von Aldaran angetreten hatte. In der geräumigen Kammer drängten sich seine Untertanen wie eine Herde Chervines, die der Schrei eines Banshees in einer Felsschlucht zusammengetrieben hatte.
Craven, der die Anklage vorgebracht hatte, löste sich aus der Gruppe seiner Dorfbewohner und trat hervor. Er war Mitte fünfzig, fast kahlköpfig und trug, wie ein einfacher Schafhirte, selbst in geschlossenen Räumen meist eine Mütze. »Das Volk von Aldaran fordert Gerechtigkeit«, erklärte Craven und deutete in eine Ecke des Verhandlungssaals. Zwei Wächter zerrten eine junge Frau vor den Richter. Craven richtete einen knorrigen Finger gegen sie. »Diese Frau, Lonira von Ravenshurst, hat ihr eigenes Kind getötet.«
Mikhael erkannte die Frau nicht, obwohl er ihre Mutter gelegentlich getroffen hatte. Lonira war die Tochter der alten Hebamme Reney; sie war erst siebzehn Jahre alt und so dürr wie ein Zweig im Winter und machte nicht den Anschein, irgend jemanden umbringen zu können. Jetzt stand sie mit zerzausten blonden Haaren und trüben, leblosen Augen vor ihrem Richter, blickte zu Boden und sagte nichts.
Mikhael brauchte kein Laran, um zu wissen, daß das Mädchen einen großen Seelenschmerz empfand. Doch nicht Schuld, sondern nur Verwirrung und Verzweiflung zeigte sich in den Falten, die ihr junges Gesicht entstellten. Mikhael wartete ab, und schließlich blickte sie auf und schaute ihn an.
Als er ihr Gesicht sah, verschlug es ihm fast den Atem. Einen Augenblick lang war ihm, als stünde Elline vor ihm.
Dieser flüchtige Eindruck erweckte in Mikhael die Erinnerung an einen Frühlingstag, der schon viel länger zurücklag als er wahrhaben wollte. Sein Gesicht und die starken Schultern badeten im wärmenden Sonnenschein, als er und Elline auf ihren Ponies durch die Wiesen um die Burgfeste von Aldaran
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