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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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galoppierten. Der klebrige, süßliche Geruch von Kireseth schwängerte die Luft – nicht stark genug, um gefährlich zu sein, aber doch ausreichend, um die Welt besser erscheinen zu lassen als sie war. Nirgends lauerte eine Gefahr, alles war erfüllt von einer grenzenlosen Liebe, die sich durch ihr gesteigertes Laran offenbarte. Er war mit Elline erst seit dem letzten Mittwinter verheiratet. In einem kleinen Tal teilte das jung vermählte Paar seine Leidenschaft unter einem strahlenden Himmel, von dem die rote Sonne die so seltene Wärme spendete: Es war ein Nachmittag des vollkommenen Liebesglücks. Jener Tag war der Höhepunkt eines Jahres, welches das beste in seinem Leben sein sollte. Als er sich jetzt daran erinnerte, erschien es ihm so, als ob er nur damals wirklich gelebt hätte.
    Cravens monotone Stimme verscheuchte das Bild. »Als ich sah, wie Lonira ganz allein in den Wald ging, machte ich mir um ihre Sicherheit und ihre Ehre große Sorgen. Ich wußte ja, daß ihr Mann im letzten Sommer bei dem Gefecht mit den Ridenows umgekommen war. Deshalb folgte ich ihr.«
    Mikhael konnte sich kaum ein wissendes Lächeln verkneifen. Craven galt zwar als ehrlich und eher fantasielos, aber vor allem stand er in dem Ruf, sich überall einzumischen und mehr an anderer Leute Angelegenheiten interessiert zu sein als an seinen eigenen.
    »Und bei dieser Gelegenheit beobachtete ich, wie sie das Calebain sammelte.« Unter den Zuschauern wurde aufgeregt getuschelt. Craven trat einen Schritt vor und senkte seine Stimme, als ob er ein Geheimnis mitzuteilen habe. »Die meisten Leute kennen die Wirkungen dieser Wurzel gar nicht, aber meine Tante gehörte der Schwesternschaft der Heilkundigen an. Bei einem ihrer seltenen Besuche habe ich, als ich noch ein kleiner Junge war, belauscht wie sie meiner Mutter die Anwendung erklärte.«
    Mikhael ließ Cravens Sachkenntnisse mit einer flüchtigen Handbewegung gelten. Er hatte dessen Tante, eine ehrenwerte Frau, gekannt. Wenn man den Gerüchten Glauben schenken durfte, war sie vor vielen Jahren von Trockenstättern umgebracht worden.
    »Lonira hatte nicht bemerkt, daß ich ihr gefolgt war«, fuhr Craven fort. »Von meinem Versteck hinter den Bäumen beobachtete ich ungläubig, wie sie die Wurzeln ausgrub und sich dann davonstahl.« Mit erhobener Stimme und mehr an die Zuhörerschaft als an Mikhael gewandt erklärte er: »Ich schwöre, daß es mir nicht im Traum eingefallen wäre, sie könne die Wurzeln für diesen schändlichen Zweck mißbrauchen! Ich nahm an, sie seien für ihre Mutter, die ja auch eine Heilkundige ist. Aber als mir ihre Mutter erzählte, das Kind sei gestorben, da wußte ich natürlich, was passiert war: Lonira hat die Wurzeln selbst gebraucht. Sie hat sie gebraucht, um damit ihr Kind zu töten.«
    Im Gerichtssaal wurden zustimmende Rufe laut. Mikhael wartete, bis wieder Ruhe eingekehrt war. »Lonira was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen? Wirst du hier zu unrecht beschuldigt?«
    Das Mädchen zitterte und starrte auf den Boden. Ihre Lippen versuchten, eine Antwort zu formen, aber kein Ton war zu hören. Sie versuchte es noch einmal, und diesmal gelang ihr ein flüsternd vorgebrachtes »Nein.« Gegen ihre Tränen ankämpfend fügte sie hinzu: »Ich verdiene meine Strafe.«
    Mikhael schüttelte traurig den Kopf. Es war so gekommen, wie er es vorausgeahnt hatte – jetzt blieb ihm keine andere Wahl. Er versuchte, aufrecht auf seinem Richterstuhl zu sitzen, aber die Verantwortung lastete derart schwer auf seinen alten Schultern, daß er immer wieder zurücksackte. Er wollte ihren Tod nicht anordnen, wollte nicht, daß schon wieder die Flamme eines jungen Lebens durch seine Hand vorzeitig gelöscht wurde.
    »Klagt nicht sie an, mein Lord. Es ist meine Schuld. Ich habe ihr den Gebrauch der Wurzel beigebracht.«
    Mikhael erkannte Loniras Mutter, die jetzt aus der Menge hervortrat. Reney war eine stämmige Frau mit blonden, schon leicht ergrauten Haaren. Ihre kräftigen Arme hatten schon so manches Baby aus dem Schoß der Mutter geholt und dabei beiden das Leben gerettet.
    Aber Mikhael war nicht in der Stimmung, die Untersuchung unnötig in die Länge zu ziehen. Wie eine alte Eule, die am Tag ihr Gefieder plustert, schüttelte er die ihn überkommende Schläfrigkeit ab. »Ich weiß, daß Lonira deine Tochter ist und daß du sie beschützen willst, aber ich darf mich hier nur für das interessieren, was wirklich vorgefallen ist. Ich bin zu alt und starr, um von Bitten um

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