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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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sind:
     
    Wenn zwei der Monde am Himmel steh’n,
    sollst du in ihrem Schein spazieren geh’n.
    Denn steh’n sie voll am Himmelszelt,
    bringst endlich du dein Kind zur Welt.
     
    Nachdem Elline gesehen hatte, daß beide Monde über dem östlichen Bergkamm aufgegangen waren, verließ sie das Zimmer und wollte auf den Burgwall hinaus. Mikhael hatte noch versucht, es ihr auszureden, aber ihre freudige Erregung hatte auch ihn ergriffen. Und so waren sie, gegen die Kälte des Mittwinters gut verpackt, gemeinsam durch den Schnee gestapft, während ihr Atem Traumgebilde in die Abendluft zauberte.
    Diese Erinnerung und die Enge des Richterstuhls bedrückten Mikhael, der jetzt seine Aufmerksamkeit wieder Reney zuwandte.
    »Ich kam zu spät, mein Lord. Als ich heimkehrte, hatten die Wehen bereits seit langem eingesetzt, aber nichts verlief so, wie es sollte. Lonira blutete stark, und trotzdem wollte das Baby sich nicht rühren. Ich versicherte ihr immer wieder, daß das Kind gesund zur Welt käme, aber dabei wußte ich ganz genau, daß es nicht stimmte.«
    Mikhael starrte sie mit offenem Mund an. Seine alten Kieferknochen hingen ihm schlaff herunter. Reney war gewiß eine kluge Frau, die alles tun würde, um für ihre Tochter Mitleid zu erregen, aber Ellines Schicksal konnte sie nicht kennen – Reney war noch nicht einmal geboren, als es passierte. Überhaupt wußte außer Mikhael keiner alle Einzelheiten; zum Schluß war er ganz allein bei Elline geblieben. Die Hebamme war am gleichen Tag noch einmal weggerufen worden, um ein anderes Baby zu entbinden. Es war ganz in der Nähe, sogar noch in Sichtweite der Burgfeste. Aber als einer der Stürme, die zur Mittwinter-Zeit so häufig waren, über die Hellers fegte, saß sie dort fest und konnte unmöglich zurückkehren, ebensogut hätte sie jenseits des Walls um die Welt sein können.
    Mikhael hatte alles in seinen Kräften stehende getan. Mit seinem Laran hatte er Kontakt zu dem noch ungeborenen Kind aufgenommen und erkennen müssen, daß es am Ersticken war, der Mutterkörper, der es so lange genährt hatte, erdrosselte das kleine Leben mit genau jenen Preßwehen, die es eigentlich ans Licht der Welt bringen sollten. Noch bevor das Baby kam, noch bevor Elline irgend etwas ahnte, wußte Mikhael bereits, daß es tot geboren werden würde; er hatte es sterben spüren. Und als nach der Geburt Elline um ihr eigenes Leben rang, hatte er die anderen Frauen fortgeschickt, blind vor Zorn wie ein Mann, der aus Zandrus tiefster Hölle verzweifelt schrie.
    Mit seinem Laran versuchte er, wie schon so oft zuvor, die Wunden zu schließen und die Blutungen zu stillen, er versuchte, das Leben der einzigen Frau zu retten, die er je geliebt hatte und die er immer lieben würde – aber es mißlang. Zum Ende hin hatte sie nicht einmal mehr die Kraft, ihm ein liebendes Wort zuzuflüstern. Es gab keine Ermutigung und auch nicht das kleinste Zeichen, das ihn glauben machen konnte, ihr Kampf, ihm ein Kind zu schenken, sei nicht völlig vergebens gewesen. Sie wurde ihm einfach genommen, und er blieb mit nichts außer unerfüllten Träumen und einer Sehnsucht zurück, die er auch jetzt noch, fünfundvierzig Jahre später, verspürte.
    Die plötzlich eingetretene Stille brachte Mikhael wieder zu sich. Reney hatte ihre Geschichte beendet und wischte sich mit dem Handrücken ein paar Tränen aus dem Gesicht. »Ich bin eine gute Hebamme, aber trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob ich das Kind hätte retten können, selbst wenn ich rechtzeitig da gewesen wäre. Aber eines stand für mich fest. Lonira konnte, ja durfte nie wieder Kinder kriegen. Dazu ist ihr Körper einfach nicht mehr in der Lage. Bei einigen Frauen ist das eben so.«
    Sie trat noch etwas näher auf Mikhael zu. »Als sie erneut schwanger war, ließen wir dieses Kind von einer Frau untersuchen, die dafür besonders begabt war. Es wäre ein Junge geworden, noch weitaus kräftiger als ihr erstes Kind. Lonira wäre bestimmt daran gestorben, wenn sie versucht hätte, dieses Kind auszutragen. Da hätte sie sich auch gleich ein Messer in die Brust stoßen können!«
    Schweigend und mit tränenüberströmtem Gesicht umarmte Reney ihre Tochter ein letztes Mal; dann trat sie zurück, um Mikhaels Entscheidung abzuwarten.
    Mikhael schloß die Augen und ließ den Kopf hängen. Mochten die Leute doch denken, er döse vor sich hin. Das spielte jetzt keine Rolle mehr. Er war so ergriffen und brauchte Zeit, seine Gedanken zu ordnen. Die Lords auf Darkover

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