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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Platz am Ende der kleinen Kolonne einnahm, überlegte Lian, daß ihre einzige Alternative gewesen wäre, Donato an Ort und Stelle zum Kampf herauszufordern. Aber unter den gegebenen Umständen konnte es sich die Gruppe einfach nicht leisten, einen ihren Beschützer zu verlieren. Diesem Argument war nicht zu widersprechen – und trotzdem konnte Lian das Gefühl nicht loswerden, als sie den gebeugten Rücken Wandirrs vor sich sah, daß nicht nur er, sondern auch sie getäuscht worden war.
     
    »Ist das alles?« Sara Jordin sprach aus, was alle insgeheim dachten, als sie den tiefschwarzen Steinhaufen ausmachten, der sich im beginnenden Dämmerlicht wuchtig gegen den Himmel abzeichnete. Sie hatten die heilige Stätte bei Dunkelheit erreicht, nachdem sie sich auf einem alptraumhaften Marsch am Rand des Stammesgebietes der Waldläufer vorbeigeschlagen hatten. Mehr als einmal hatten sie geglaubt, Deuu habe den Weg verloren. Jetzt aber lag der Wald vor ihnen, in ihrem Rücken türmte sich der Gletscher zu einer weißen Wand auf, und zu beiden Seiten flackerten in den Felsen die Feuer der Waldläufer wie rote Augen.
    »Still! Sie fürchten, Götter werden strafen, weil Fremde hier.« Deuu musterte seine Stammesgenossen argwöhnisch, als ob er damit rechnete, sie könnten jeden Moment mit Steinen und Speeren angreifen. Dann machte er sich zu ihnen auf, um jene merkwürdig ineinander verschlungenen Riemen mit den aufgereihten Perlen zu zeigen, mit denen die Stammesältesten der Expedition freies Geleit zugesichert hatten; damit sollte es möglich sein, sie zu überzeugen, daß die Anwesenheit von Fremden nicht gleich den Zorn der Götter hervorrufen würde.
    »Was ist Eurer Meinung nach dieses Schimmerfeld?« fragte Lian, auch um sich und die anderen von Mutmaßungen darüber abzulenken, ob Deuus Überredungskünste Erfolg haben würden oder nicht.
    »Das ist mir ganz egal!« erwiderte Sara verbittert. »Sinn und Zweck meiner Arbeit bestand in der Reise selber. Das ist nun erledigt. Ich habe zwei neue Spezies der Eriacaea entdeckt, die ich nach Tee benennen werde.«
    Es verstrich einige Zeit, bevor Wandirr antwortete: »Ich bin hier endlich an mein Ziel gelangt, und damit sind all unsere vorherigen Strapazen vergessen.« Seine Stimme klang heiser; unablässig blickte er in Richtung der Schatten, die den Schrein verbargen. »Die Gesänge an den Lagerfeuern der Waldläufer bestätigen, was ich schon immer vermutet habe. Dies ist eine heilige Stätte, und irgendwo dort zwischen all diesen Felsen befindet sich eine Statue oder ein anderes Relikt aus den alten Tagen. Wenn ich es in Augenschein nehmen kann, werde ich wissen, ob die Waldläufer eine eigene Kultur besaßen oder ob sie ein Geheimnis bewahren, das die Comyn längst vergessen haben. Ich werde für das Institut eine Monographie verfassen, und diese Entdeckung wird meinen Namen tragen.«
    Es wurde immer heller, als die rote Sonne über der Wolkendecke aufstieg und zartrosa- und lavendelfarbene Lichtkreise durch die Nebel zauberte. Lian konnte jetzt erkennen, daß der Abhang in einem Amphitheater aus Stein auslief; die Felsen waren aber derart verwittert, daß man unmöglich mit Bestimmtheit sagen konnte, ob sie von Menschenhand geformt waren oder einer Laune der Natur entsprangen. In der Mitte befanden sich flache Steinplatten, dahinter öffnete sich ein Spalt im Fels, der aber noch im Schatten lag.
    Die Lagerfeuer verlöschten eins nach dem anderen. Deuu kam zurück und trat ihr eigenes Feuer aus. Im kalten Schatten der Gletscherwand kondensierte ihr Atem zu kleinen Wölkchen, als sie den weiteren Tagesanbruch abwarteten.
    »Und wie steht es mit Ihnen?« fragte Sara Donato. »Warum sind Sie so begierig herauszufinden, was wir hier finden werden?«
    Die Waldläufer hatten inzwischen einen eigentümlich rhythmischen und melancholischen Gesang angestimmt, der zu der Öde des Platzes paßte. Donato verzog beim Klang dieses Singsangs das Gesicht. Seine Schulterhaltung verriet eine gewisse Anspannung, und selbst bei dem schwachen Licht könnte Lian das Funkeln in seinen Augen erkennen.
    »Ich glaube, es ist eine Waffe aus dem Zeitalter des Chaos«, antwortete er schließlich. »Die Waldläufer besitzen keine eigene Kultur, aber unsere Legenden berichten von wundersamen Dingen – von Waffen, die selbst die Terraner fürchten würden!«
    »Sie würden also einen geheiligten Ort zerstören, nur damit noch größere Zerstörung angerichtet werden kann?« knurrte Wandirr. »Die

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