Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
Vom Netzwerk:
Erlaubnis der Ältesten und Eures Comyn-Rates bezog sich auf reine Forschungszwecke. Wenn wir irgend etwas von hier entwenden, brechen wir unser Wort!«
    »Gelehrtengeschwätz! Wenn das Schicksal einer ganzen Welt auf dem Spiel steht, zählen kleinliche Versprechen wenig!« Donato rutschte ungeduldig hin und her, als sich der Rhythmus des Gesangs beschleunigte. Wandirr brummte nur verärgert, antwortete ihm aber nicht.
    Eid steht gegen Eid, wenn Visionen aufeinandertreffen, dachte Lian. Aber was bedeutet mir das Schimmerfeld? Die Sprichwörter ihrer Waffenmeisterin ließen ihr keine Ruhe, und besonders eines fiel ihr jetzt ein: »Ein Treuetest ist ein Spiegel, in dem jede ihr eigenes innerstes Wesen sieht.« Wenn ich es sehe, sagte Lian sich selbst, werde ich auch das andere erkennen.
    Sie atmete mehrmals tief ein, um sich Klarheit zu verschaffen. Der Schrein würde sie zu einer Entscheidung zwingen, ganz gleich, wie sein Geheimnis auch geartet war. Sie mußte zur Ruhe kommen, damit ihre Handlungen aus Harmonie hervorgingen, das hatte die Schwesternschaft ihr beigebracht. Eine andere ihrer Lehren schob Lian im Augenblick weit von sich – nämlich, daß es manchmal das klügste war, gar nichts zu tun.
    Unmerklich entspannte sich ihr Körper in einer Meditationshaltung. Der Gesang der Waldläufer und die Gesprächsfetzen aus ihrer Gruppe traten ebenso wie die grauen Felsen und treibenden Wolken in den Hintergrund. In ihrem erweiterten Bewußtseinszustand nahm sie viele zusätzliche Dinge wahr – das Gewicht, das sie mit der Erde verband, die Regungen der Luft, sowie die subtileren Umstände von Raum und Zeit, für die es keine Worte gab.
    Mit zunehmendem Tageslicht verwandelten sich die Wolken in scharlachrote und goldene Spiralen. Der Rhythmus des Gesangs wich unvermittelt einem erregten Geschrei, als sich die Schleier einen Augenblick lang teilten und der Himmel in tiefem Lavendelblau wie ein Juwel erstrahlte.
    Lian war klar, daß der Morgen schon weit vorangeschritten sein mußte. Es war jetzt hellichter Tag, auch wenn die dahintreibenden Wolken nur einen opalisierenden Schimmer durchließen, in dem die Felsen ebenso schemenhaft wirkten wie die Wolken selbst. Diese teilten sich immer wieder, und durch das Silbergrau der Wolken brachen Strahlen reinsten Goldes.
    »Schaut!« rief Sara. In einem der Felsen funkelte es jetzt selbst, ein Lichtmuster, das aufblitzte, wieder verschwand, erneut leuchtete und mit jeder Wolkenbewegung stärker wurde. »Oh, wie schön es ist!«
    »Das sind Schemata!« erklärte Wandirr. Lian aber erkannte darin die Lichtgestalt in einer Kristallmatrix wieder, und es erregte bei ihr die gleiche Übelkeit, die sie schon gespürt hatte, als man sie vor langer Zeit gezwungen hatte, in eine solche Matrix zu blicken. War es möglich, daß hier ein riesiger Sternenstein vergraben war?
    Inzwischen erglühten auf jedem Felsen tänzelnde Lichtspuren und Feuerspiralen, und Lian wurde es immer schwindliger. Die Waldläufer schrien und sangen und schirmten ihre Augen gegen das gleißende Licht. Kein Zweifel, hier erwachte eine ungeheure Kraft! Energie pulsierte im auflodernden Licht. Jetzt lag nur noch die Öffnung zwischen den Felsen im Dunkeln – und der Kontrast zu dem sie umgebenden Glanz ließ sie nur noch schwärzer erscheinen.
    Donato sprang auf und starrte in den dunklen Schlund, der sich im Stein auftat. »Dort drinnen ist es – ich weiß es! Und wenn ich es wiedererlange, werden sie mir mein Geburtsrecht anerkennen müssen!« Er stürzte nach vorn, und in seinen Augen tanzte der Abglanz des Feuers.
    Donato hatte das Ende des Felsabsturzes erreicht und bereits die flachen Steinplatten vor der Öffnung betreten, noch bevor irgend jemand reagieren konnte. Erst jetzt schrie Wandirr »Halt!« und stürzte ihm nach. Donato fuhr herum, stieß den alten Wälsungen mit einem Arm beiseite und zückte mit der anderen Hand seine Waffe. Wandirr rappelte sich auf, erstarrte beim Anblick der Waffe und rief Lian um Hilfe.
    Diese war bereits hinzugeeilt. Ihre Benommenheit war durch den Adrenalinstoß, den Donatos beabsichtigter Bruch aller Vereinbarungen hervorrief, wie weggeblasen.
    »Steckt dieses Ding wieder ein!« Lian stellte sich zwischen Donato und Wandirr. »Ihr übertretet das Gesetz gleich zweifach, indem Ihr diese Waffe zückt und die Zeremonie stört.«
    Donato konzentrierte sich völlig auf Lian. Mit einem aufgesetzten Lächeln ließ er den Betäuber in das Halfter zurückgleiten, während

Weitere Kostenlose Bücher