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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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werden sollte. Seitdem war viel Zeit vergangen, und nicht nur sie, sondern auch Snow Haven hatte sich verändert. Selbst aus dieser Entfernung konnte sie erkennen, daß das Gut verwahrlost war. Das Dach des großen Gutshauses hing durch und der Graben, den ihr Großvater gegen Angriffe der Ya-Männer hatte anlegen lassen, war mit dickem Gestrüpp überwuchert.
    »Eine Menge Grund und Boden«, bemerkte ihre Reitgefährtin Lori. »Ich habe gar nicht gewußt, daß deine Leute zu den Comyn gehören.«
    Carilla zuckte mit den Achseln. »Nur eine unbedeutende Seitenlinie. Bestimmt nichts, womit ich angeben könnte.«
    »Du vielleicht nicht, aber verglichen mit meiner Familie könnten sie ebensogut Hasturs sein. Du hättest mich jedenfalls warnen können.«
    »Sei nicht böse, Lori«, beschwichtigte Carilla sie. »Tut es dir denn schon leid, daß du mitgekommen bist?«
    »Du benimmst dich doch so, als ob es dir leid täte, daß ich hier bin. Auf dem ganzen Weg hast du kaum zehn Worte mit mir gewechselt.«
    »Ich … ach, es geht mir einfach so viel durch den Kopf. Vielleicht werden sie mich nicht einmal wiedererkennen.« Carilla betrachtete nachdenklich ihre vernarbten und wettergegerbten Hände. Das schlanke, rothaarige Mädchen, das so sehr darauf geachtet hatte, ihre Hände nicht zu beschmutzen, gehörte längst der Vergangenheit an. An ihre Stelle war eine verhärmte Kriegerin getreten, eine Schwertfrau, müde der Schlacht, mit stoppeligen, grauen Haaren und einer gebrochenen Nase, die in jahrelangen Kämpfen zu viel abbekommen hatte. Wohl kaum ein Anblick, der die Aufmerksamkeit von Männern erregte, dachte sie beschämt. Dieser Gedanke war ihr schon seit Jahren nicht mehr gekommen, und Carilla fand es merkwürdig, daß sie ausgerechnet jetzt wieder daran denken sollte.
    »Ich kann nicht einsehen, warum du überhaupt zurückkommen willst«, erwiderte Lori bockig.
    »Glaub mir, ich habe meine Gründe.« Carilla richtete sich im Sattel auf, befreite die Füße aus den Steigbügeln und hakte sich mit einem Bein am Sattelhorn ein. Dann kramte sie aus ihrer Gürteltasche eine lange, schlanke Zigarre hervor und entzündete sie. Nach einem ersten tiefen Zug des würzigen Kräuterrauchs reichte Carilla sie an Lori weiter und meinte: »Ich habe dir doch die Nachricht von Ranarl gezeigt. Er ist unser Coridom, so lang ich denken kann. Er und seine Frau Mara waren die einzigen, die gut zu mir waren, nachdem … ach, du weißt schon …« Carilla verstummte. Sie hatte Lori schon vor langer Zeit die traurige Geschichte ihrer Kindheit erzählt; weshalb sie also jetzt unnütz wiederholen. »Jedenfalls bin ich ihnen etwas schuldig. Wenn Ranarl die Situation schon für so bedenklich hält, daß er meint, mich ausfindig machen zu müssen, dann …«
    »Was dann?« fiel ihr Lori ins Wort. »Glaubst du im Ernst, deine Familie würde dich mit offenen Armen empfangen? Das ist doch verrückt.«
    »Vielleicht ist es das«, räumte Carilla nachdenklich ein. »Aber wenn man älter wird, sieht man die Dinge mit anderen Augen.«
    Die Jüngere schnaubte nur verächtlich. »Komm mir bloß nicht mit der Leier vom Älterwerden. Nach allem, was sie dir angetan haben, würde ich ganz bestimmt kein Wort mehr mit ihnen wechseln. Ich halte es schon die ganze Zeit für ein Hirngespinst von dir.«
    »Warum bist du dann überhaupt mitgekommen?« fragte Carilla verärgert.
    »Hätte ich dich etwa allein durch die Berge reiten lassen sollen? Schließlich bin ich deine eingeschworene Bredini, vergiß das bitte nicht. Oder liegt vielleicht genau da das Problem? Du schämst dich meiner, nicht wahr?« Lori stieg die Zornesröte ins Gesicht. »Du möchtest nicht, daß deine feine Familie erfährt, daß du Frauen liebst – und dann auch noch ausgerechnet so ein hergelaufenes Landei wie mich. So ist es doch, oder etwa nicht?«
    »Unsinn, so ist es ganz und gar nicht! Und wenn du es nicht begreifen kannst, wäre es vielleicht wirklich besser gewesen, du hättest mich nicht begleitet«, erwiderte Carilla scharf.
    »Und wenn ich geahnt hätte, daß ich eine solche Last für dich bin, hätte ich es auch nicht getan«, gab Lori mit gleicher Schärfe zurück. Sie verzog ihr junges und sonst so sanftes Gesicht zu einem Flunsch, der – das wußte Carilla aus Erfahrung – nichts Gutes verhieß. Wenn sie so weitermachten, würde es Tage dauern, bevor Lori wieder mit ihr sprach. Nicht zum ersten Mal machte Carilla sich Vorhaltungen, eine so junge Geliebte gewählt zu haben,

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