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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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er selbst. Er war Hastur. Und das war voll und ganz genug.
     
    Renata wußte nicht, was sie dazu trieb, an diesem Morgen allein zu der Flußgabelung zu reiten, an der sich der Kadarin in einen nach Westen und einen nach Norden fließenden Arm teilte.
    Die Sonne stand noch tief über dem Horizont, und um sie herum schien alles still und friedlich zu sein. In weiter Ferne, jenseits des nördlichen Flußarms, erkannte sie die Gipfel von Ardais, und sie fragte sich, was dort wohl vor sich ging. Aus den Tieflanden hatte sie keinerlei Nachrichten erhalten. Die Relaisstationen waren stumm geblieben; immer nur das gleiche Rauschen der atmosphärischen Störungen. Vor drei Nächten hatte man ein besonders heftiges Störfeuer empfangen, eine Art sinnloses, unzusammenhängendes Anschwellen der Kräfte, danach nichts mehr.
    Renata stieg von ihrem Pferd ab und ließ es in der Aue grasen. Die Wasseroberfläche funkelte und blitzte im Sonnenlicht golden und weiß. Als kleines Mädchen hatte sie einmal die Geschichte gehört, daß der Kadarin aus den Tränen der Chieri entstanden sei, die im Exil im Gelben Forst das Aussterben ihrer Art beweinten. Sie kniete sich am Flußufer nieder, tauchte eine Hand in das Wasser und ließ die kühlen Tropfen durch die Finger perlen. Tränen. Ein Fluß voller Tränen. Wie viel Leid! Wie viel Tod!
    Sie wandte ihr Gesicht himmelwärts. Was machte sie hier, allein, an diesem Fluß? Welch innerer Drang hatte sie an diesem Morgen dazu gebracht? Ihr Sohn und die Damen aus ihrem Gefolge wären außer sich, wenn sie wüßten, daß sie ohne Schutz unterwegs war, so daß jeder Bandit sie überfallen könnte.
    Falls Coryn zurückkehrte, würde er aus der anderen Richtung kommen, wo Thendara lag, und nicht auf dieser Straße, die nach Ardais führte.
    Falls er überhaupt zurückkehrte.
    Auf dieser Straße nach Ardais sah sie jetzt, noch ziemlich weit entfernt, eine Staubwolke, wie sie ein Reiter aufwirbeln konnte. Ich sollte wirklich besser gehen, dachte sie. Ich darf mich keiner Gefahr aussetzen. Schon um Brentons Willen muß ich weiterleben. Aber sie rührte sich nicht, sondern blieb wie angewurzelt stehen, als der Reiter näher kam.
    Das ist Wahnsinn. Jetzt konnte sie bereits das Pferd erkennen, einen Rappen, der offensichtlich in den Bergen gezüchtet worden war. Auch der Reiter in seiner Leder- und Pelzkluft war bestimmt ein Bergbewohner. Vielleicht ein Bandit? Wer konnte das schon so genau wissen? Noch immer wartete sie ab, und das Herz schlug ihr immer heftiger in der Brust.
    Renata!
    Ja, es war Wahnsinn. Diese Stimme – seine Stimme! Sie mußte es sich einbilden. Dann sah sie den Sonnenglanz im kupferroten Haar des Reiters. Coryn, bist du es wirklich?
    Gewiß, kein anderer.
    Sie stand regungslos am Flußufer; nur ihre Augen folgten ihm, wie er immer näher ritt, sich aus dem Sattel schwang und schließlich in ganzer Größe vor sie trat.
    Nein, gut roch er wirklich nicht. Staub und Schweiß des langen Ritts hafteten ihm und seinen Kleidern an. Noch nie hatte sie ihn in einem solchen Aufzug gesehen. Aber was machte das schon? Sie lag in seinen Armen, und die überschäumende Freude über seine Rückkehr ließ sie alles andere vergessen. Aber dann bemerkte sie an seinem rechten Arm den Streifen bleicher Haut, den sonst ein Armband bedeckte. Ein Stich ins Herz. Er war nicht zu ihr heimgekehrt; er war gekommen, um von ihr Abschied zu nehmen.
    Wie zur Antwort hob er seinen Arm hoch und deutete auf das Handgelenk. »Ich habe dir ja gesagt, Renata, daß ich einen furchtbar schlechten Ehemann abgebe.«
    Sie riß sich von ihm los und wagte es nicht, ihm in die Augen zu blicken. »Coryn, du weißt, daß ich dich nicht gegen deinen Willen halten werde. Du mußt gehen, wenn das dein Wunsch ist.«
    »Nun, bevor du mich hinauswirfst, Geliebte, darf ich dir vielleicht noch erzählen, wie ich die Catena verloren habe. Das heißt, sie ist gar nicht verloren. Allart hat sie.«
    »Allart? Wieso das?«
    »Kannst du es dir nicht denken?«
    »Liegt es an deinem Bruder? Hat er unsere Ehe für null und nichtig erklärt?«
    »Nein, ganz gewiß nicht. Regnald hat mit der ganzen Sache nichts zu tun. Ich habe das Ding durchaus freiwillig abgelegt.«
    Renata packte ihn bei den Schultern. »Coryn, damit treibt man keine Scherze. Was ist aus diesem Armband geworden?«
    Jetzt lächelte er offenherzig. »Ich mußte es abnehmen, um im Kreis arbeiten zu können. Andernfalls hätte ich mir die ganze Hand verbrannt. Ich muß gestehen,

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