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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Kindes. Vergeblich hatte Chiaryl gehofft, daß auch sie diese innige Form des Gedankenaustauschs entwickeln würde, aber Merilys hielt sich trotzig an die menschliche Sprache. Wer weiß, dachte er, wozu es gut ist.
    »Aber nein, Chiaryl, natürlich bin ich nicht unglücklich«, versicherte sie ihm. »Du weißt doch, wie sehr ich dich und Chacka lieb habe. Es ist nur so, daß ich es satt habe, immer eingesperrt zu sein und mit niemandem reden zu können.« Es stimmte schon: mit Ausnahme der kurzen Sommermonate mußte Merilys sich stets in der Höhle des Chieri aufhalten, die auch im kältesten Winter durch eine heiße Quelle geheizt war. Chiaryl und Chacka machte die Kälte nichts aus, aber Merilys konnte lange Monate hindurch nicht ins Freie. So war es kein Wunder, daß sie jetzt ihre Freiheit um so mehr genoß.
    Das wird sich bald ändern, wenn wir dich zu deinen Leuten zurückbringen, erwiderte er sanft. Wehmütig schaute er ihr nach, als sie den Pfad wieder mit wehender, roter Zottelmähne hinablief. Chacka wie immer in ihrem Schlepptau. Und Chiaryl hatte ernsthaft daran gedacht, sie für immer bei sich zu behalten! Jetzt mußte er selbst über seine Torheit den Kopf schütteln. Dieser Wunsch war einzig und allein seiner Einsamkeit und Verzweiflung zuzuschreiben. Aber selbst wenn Merilys den Rest ihres Lebens bei ihm verbracht hätte, wäre es immer noch nicht lang genug gewesen, den die Chieri wurden alle sehr alt – er wäre auch dann einsam gestorben. Trotzdem hätte er sie gerne noch etwas bei sich behalten, wenn nicht vor gut einem Monat die Sommertraumwinde seinen Geschlechtswandel auf so dramatische Weise beschleunigt hätten.
    Die Halluzinogenen Pollen der blauen Blume, die sein Volk ›Traumhauch‹ nannte, beeinflußten jedes Lebewesen, selbst die Chieri. Unter anderem verstärkten sie die übersinnliche Wahrnehmungsfähigkeit, aber die erstaunlichste Nebenwirkung des goldenen Blütenstaubs bestand in einem bis zur Promiskuität gesteigerten sexuellen Verlangen. Chiaryl hatte schon längere Zeit das Geschlecht nicht mehr gewechselt, als der Pollenflug einsetzte. Vielleicht hatte aber auch der Umstand, daß Merilys zur Frau heranreifte, den Wandel bei ihm verursacht. Aus welchem Grund auch immer, jedenfalls war es geschehen. Und in jenem Zustand der gesteigerten psychischen und sexuellen Erregung hatte er dem Paarungstrieb nicht widerstehen können. Unter dem Einfluß der pflanzlichen Droge hatte Chiaryl den Augenblick der Empfängnis in einem Art Freudentaumel erlebt; aber mit der wiedererlangten Vernunft wuchs auch die Einsicht, daß Merilys zu den Menschen zurückkehren mußte, um das Kind unter ihresgleichen auszutragen und großzuziehen. Er hatte falsch gehandelt, sie so lange von ihren Leuten zu isolieren.
    Es war merklich kühler geworden, und der sich verdunkelnde Himmel kündigte den Einbruch der Nacht an, weshalb Chiaryl sich beeilte, zu seinen Freunden aufzuschließen. Diese errichteten bereits an einer geschützten Stelle unweit des Pfades das Lager. Der Chieri schichtete das Holz auf, das Chacka gesammelt hatte, entzündete ein Feuer und begann dann, aus den Pilzen und einigen getrockneten Kräutern eine Suppe zu kochen. Nur gut, dachte er, daß sie schon in der Nähe der Menschensiedlungen waren, denn es blieben ihnen nicht mehr viele warme Tage. Sobald aber Schneefall einsetzte, würde Merilys die Reise eher beschwerlich als abenteuerlich finden.
    So sehr er sich auch bemühte, in dieser Nacht konnte Chiaryl keine Ruhe finden; selbst das Sedativum aus Kräutern verfehlte seine Wirkung. Schließlich stand er wieder auf und entschloß sich zu einem Spaziergang im Mondlicht. Drei der vier Monde standen am Himmel; der größte von ihnen ging am Horizont unter. Chiaryl brauchte kein Licht, um seinen Weg zu finden, denn dank der Energien, die alles um ihn herum verströmte, konnte er klar und deutlich sehen.
    Eins mit seiner Welt und allem Leben, das sie nährte, öffnete er sich dem Frieden der Nacht, und ein tief empfundenes Gefühl der kampflosen Hinnahme allen Geschehens überkam ihn. Chiaryl und seine Artgenossen hatten die Ankunft jener neuen Rasse erlebt, hatten beobachtet, wie tapfer Merilys’ Vorfahren dem merkwürdigen Raumschiff entstiegen waren, das sie aus ihrer weit entfernten Welt bis hierher gebracht hatte. Sie hatten sich daran gemacht, seine Welt zu erobern, und zeigten dabei eine aus Verzweiflung geborene Entdeckerfreude, die ihn faszinierte. Das Volk der Chieri mit seiner

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