Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
Vom Netzwerk:
tief verwurzelten Liebe zu allem Leben schöpfte eher neue Hoffnung, als daß es in den Eindringlingen eine Bedrohung sah. Vielleicht lag darin die Antwort, dachte Chiaryl, als er zum Lager zurückkehrte.
    Dort angekommen betrachtete er lange Merilys, wie sie eingekuschelt in den Armen des Kyrri dalag. Sie erschien ihm immer noch wie ein Kind. Und doch – wie rasch war sie erwachsen und herangereift. Aber so waren sie nun einmal, diese Menschen. Sie vermehrten sich rasch, sie wuchsen rasch, und sie starben rasch. Und waren doch in diesem kurzen Leben stets bestrebt, sowohl ihr Wissen und ihre Fähigkeiten als auch Besitz und Macht zu mehren. Verglichen mit den Chieri waren die Menschen eine primitive und brutale Rasse, aber dennoch trugen auch sie jenen göttlichen Funken in sich, den sein Volk so verehrte. Aber vor allem war es wohl ihr ungebrochener Lebenswille, der ihnen ermöglichen würde, sich auch in dieser feindlichen Umwelt zu behaupten.
    Chiaryl hatte schließlich erkannt, daß die Lebenskraft der Menschen auch seiner eigenen aussterbenden Rasse neue Hoffnung bot. Er lächelte, als er das Wachstum seines Sohnes in Merilys Bauch überprüfte. Die beiden Arten konnten sich offensichtlich untereinander fortpflanzen, wie Merilys Empfängnis eindeutig belegte; aber wäre auch die Nachkommenschaft lebensfähig? Soweit Chiaryl feststellen konnte, war der Embryo gesund und stark und alle Anzeichen deuteten darauf hin, daß er die übersinnlichen Gaben seines Vaters erben würde, auch wenn er äußerlich eher der Mutter nachschlagen würde. Aber das war gut so, entschied der Chieri, denn wenn er gar zu sehr aus der Art schlagen würde, könnten die Siedler ihn wohl kaum akzeptieren.
    Müde bemerkte Chiaryl, daß die Sonne schon den Himmel in tiefrotes Dämmerlicht tauchte. Merilys regte sich allmählich in Chackas beschützender Umarmung; sogleich war auch das Kyrri hellwach und gab das Mädchen frei, das sich jetzt aufrichtete. Noch verschlafen erhob sie sich und stahl sich zu dem Bach fort, um sich dort ungestört zu waschen. Das Chieri fand es komisch, daß sie nach all den Jahren ihm gegenüber solch ein Schamgefühl entwickelte. Vielleicht war sie nach der intimen Begegnung, die sie unter dem Einfluß des ›Traumhauchs‹ geteilt hatten, noch immer verwirrt.
    Während seiner nächtlichen Wanderung hatte Chiaryl in der Nähe eine Menschensiedlung entdeckt. Unter dem Sternenfirmament hatte er die Palisaden und primitiven Hütten drunten im Tal klar erkennen können. Die Gemeinschaft schien groß genug, um eine weitere Person ernähren zu können, und genug Schutz bot sie auch. Sie könnten die Siedlung mühelos bis zum frühen Nachmittag erreichen, aber es widerstrebte Chiaryl doch, Merilys bei den erstbesten Menschen zu lassen, die er antraf. Deshalb sagt er ihr, er würde an diesem Morgen vorgehen. Sie sollten ihm folgen, wenn sie ihr Frühstück beendet und das Lager abgebrochen hätten.
    Er fand seinen Eindruck aus der vorherigen Nacht bestätigt: Die Siedlung war groß genug und gut angelegt. Chiaryl kam mit einem Mal der Gedanke, daß dies genau jener Ort sein könnte, dem Merilys Eltern entflohen waren, aber was er von dem Mädchen an vagen Erinnerungen erfahren hatte, schien nichts darauf hinzudeuten. Er suchte sich eine verborgene Stelle, von der aus er die Leute unbemerkt bei ihrem Kommen und Gehen und den alltäglichen Verrichtungen beobachten konnte. Es gab zahlreiche Kinder jeglichen Alters, die sich gegenseitig neckten, während sie die eingepferchten Tiere fütterten. Alle schienen hier wohlgenährt, glücklich und zufrieden.
    Nach einiger Zeit stellte Chiaryl einen leichten Rapport mit einer der Frauen her, die er schon länger beobachtet hatte. Sie war damit beschäftigt, Bettzeug auszuwaschen und zum Trocknen aufzuhängen. Unaufdringlich las er in ihren oberflächlichen Gedanken. Sie war etwas verdrießt, andererseits aber auch froh, heute nacht in frisch gewaschener Wäsche schlafen zu können. Die Arbeit ging ihr leicht von der Hand, während sie die Heimkehr ihres Mannes und Sohnes erwartete. Beide waren zur Jagd in die tiefen Wälder gezogen, um so den Vorrat an Fleisch aufzustocken, das die Dörfler für die mageren Wintertage einpökelten oder räucherten. Die Speisekammern waren schon recht gut gefüllt, konnten aber einen Überschuß immer gut vertragen; an Fleisch gab es nie genug, wenn man beim Mittwinterfest nicht vor leeren Tellern sitzen wollte. Außerdem wurde die Jagd

Weitere Kostenlose Bücher