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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Frieden ruhen.«
    Wozu ich nur aus ganzem Herzen eins sagen kann: Amen!
     
     
     
    Das grelle Sonnenlicht, das das Ende des Winters und den Frühling ankündigte, brach durch das Gitterwerk der Steinwand über dem gepflasterten Weg und schmerzte die altersschwachen Augen des Abtes. Der böige Wind drehte und pfiff durch die abgetragene, braune Kutte des alten Mönchs, der am Ende der langen Reihe langsam den Weg entlangschritt. Vor ihm schlurften, angeführt von dem jüngsten Novizen, seine Mitbrüder in Zweierreihen über die verschneiten Pflastersteine und versuchten, sich die Kälte nicht anmerken zu lassen.
    Ein besonders großer und schlacksiger Novize schritt einher, als ob weder Kälte noch Hitze ihm irgend etwas anhaben könnten. Es war Bruder Auster, der heute mit der Tageslesung an der Reihe war.
    »Wir müssen endlich etwas wegen Bruder Auster unternehmen«, hörte der Abt den Novizenmeister Randolph schimpfen, als sie gerade die kleine, eiskalte Kapelle betreten wollten. Er, der sonst so gütig sprach, mußte an sich halten, um nicht lautstark zu poltern. »Wir können ihn nicht länger hier behalten.«
    Der Novizenmeister verlangsamte seinen Schritt, so weit es ihm möglich war. Seine Halbglatze war von Kälte weiß und seine buschigen grauen Augenbrauen zogen sich zornig zusammen. »Er stiftet nur Unruhe!« Dann trieben ihn einige herumwirbelnde Schneeflocken, die auf seinen geröteten Wangen landeten, ins Innere der Kapelle.
    Die Reihen der rauhen Kirchenbänke füllten sich allmählich, während die rote Sonne hinter einer vorbeiziehenden Wolke hervorschaute, um den Eingang der Kapelle kurz zu erwärmen. »Ich weiß das ebensogut wie Ihr«, pflichtete der Abt ihm bei. »Aber was haben wir schon gegen ihn vorzubringen? Seine Führung ist so untadelig wie die des jungen Varzil da drüben.« Und mit einer Kopfbewegung wies er auf den jungen, rothaarigen Postulanten, der die Prozession angeführt hatte.
    Der Novizenmeister nahm seinen Platz ein, als der Türsteher die schwere Holzpforte hinter ihnen schloß. Die altehrwürdige Liturgie des Abendgebets erklang. Die hellen Sopranstimmen der jüngsten Postulanten mischten sich in den Alt der Novizen und verbanden sich mit den tiefen Männerstimmen zu einem Gesang, der dem alten Mönch ein paar Tränen entlockte. Ein Augenblick des Friedens, bevor dieser Friede zerstört würde.
     
    »… und wehe denen«, deklamierte Bruder Auster mit einer rudernden Handbewegung, die für einen Mönch dann doch etwas zu theatralisch ausfiel, »die Teil haben an diesem verabscheuungswürdigen Zuchtprogramm!« Er hatte die riesigen, schwieligen Hände eines Bergbewohners. »Wehe denen, die unschuldige Mädchen und Knaben ihren Eltern entreißen, damit sie bei ihren Herren liegen oder Unzucht treiben mit denen, die ihre Herren auswählen. Sie werden auf ewig in der Hölle schmoren!«
    »Meint er seine Verlobte?« flüsterte einer der Postulanten seinem Nachbarn zu. Der Novizenmeister blickte den jungen Varzil tadelnd an, unternahm aber weiter nichts.
    »Nein, seine kleine Schwester«, gab ein knorriger Bergjunge zurück. »Sie nahm sich das Leben, als sie dazu gezwungen wurde. Sie war noch keine zwölf Jahre alt.«
    »Der Himmel steh’ uns bei!« In den edlen Gesichtszügen des jungen Ridenow-Adligen mischte sich ein tiefes Schuldgefühl über die Untaten seiner Vorfahren mit neuer Hoffnung, als er zu dem Prediger aufblickte.
    »Wehe denen, die ihre Kinder dazu zwingen, bei ihren Geschwistern zu liegen um des Zuchtprogramms willen!« Bei diesem Wort verzog Bruder Auster den Mund voller Verachtung. »Ihre Söhne und Töchter werden ihnen nie vergeben, und auch Gott in der Höhe wird es nicht. Wehe denen, die mit Tieren wie mit Menschen verkehren, so daß kein aufrichtiger Mann mehr sagen kann, er unterscheide sich vom vernunftlosen Vieh. Vor Gott und den Menschen ist solches Handeln schändlich! Das Höllenfeuer komme über jene, – und ihr wißt, geliebte Mitbrüder, wen ich meine – die solches tun oder dazu anstiften, und die Seelen der unschuldigen Opfer werden diesen Hali’imyn ihre Taten nicht verzeihen!«
    Bruder Auster beendete seine Predigt. Viele der jungen Postulanten und Novizen schauten zu ihm auf; einige hatte ein heiliger Zorn ergriffen, aber die meisten hungerten nur nach der Wahrheit, die die Ältesten nicht auszusprechen wagten.
    Jetzt erhoben sich die Stimmen zu einer harmonischen Lobeshymne auf die Schönheit der Schöpfung und der Liebe. Bruder

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