Das Wuestenhaus
geschickt um die Mittelknöchel kreisen ließen. »Achtzehn. In dem Alter hatte ich große Schwierigkeiten mit meinen Eltern.«
Plötzlich wirkten Sie überhaupt nicht mehr fremd und überlegen auf mich. »Bei meinen läuft es gerade auch nicht so gut. Ich bin nur mitgefahren, weil sie es unbedingt wollten.«
»Bei wem läuft es schon wirklich gut. Ich bin skeptisch bei Leuten, die das von sich behaupten.«
»Bei Ihnen denkt man, alles läuft bestens.«
»So, das glaubst du nach einem Abend einschätzen zu können?«
»Es wirkt jedenfalls so.«
Sie lachten und legten den Stift beiseite. »Vielleicht hast du recht. Ich bin froh, hier zu sein. Ich habe im Moment nichts anderes zu tun, als abzuwarten, bis ich meinen Auftrag erledigen kann. Das ist ein schönes Gefühl, abwarten und Zeit haben - und sich von jungen Landsleuten provozieren lassen.«
Mir gefiel, dass Sie mit mir nicht so sprachen wie mit meinen Eltern; nichts sagten über Bücher und ägyptische Schriftsteller. Sie blickten in Richtung des nun in vollkommener Dunkelheit liegenden Strandes.
»Hörst du das Geräusch? Es klingt wie ein gezähmtes Gewitter unter der Erde. Dieser Klang zwischen der einströmenden Brandung.«
Ich antwortete nicht und zog an meiner Zigarette.
»Du bist nicht gern hier, oder?«
»Ich versuche nicht dran zu denken, wo ich jetzt gern sein würde.«
Ein fröhliches Lachen erschien auf Ihrem Gesicht. »Ich verstehe.«
»Waren Sie schon mal in Dänemark?«
»Sag doch bitte nicht ständig Sie zu mir. Ich habe sonst das Gefühl, schrecklich alt zu sein. Ich bin in letzter Zeit sowieso mit viel zu vielen förmlichen Menschen zusammen.«
Ich zögerte einen Moment. Ich weiß nicht, warum es mir nicht gelang, das Angebot anzunehmen. Vielleicht spürte ich in diesem Moment schon die Gefahr, die von Ihnen ausging.
Ich versuchte, meinen Ton zu ändern. Ich wollte Ihnen zeigen, dass ich in Wirklichkeit nicht der störrische Mensch war, als der ich in diesem Moment erschien. »Waren Sie nun schon mal in Dänemark?«
»Ich war nur kurz einmal in Kopenhagen.«
»Und - wie ist das Meer dort?«
»Grau. Mir war kalt in Kopenhagen.«
»Ich stelle es mir wunderbar vor. Bäume, klare, frische Luft und schöne Sommergewitter … über der Erde.«
»Du machst dich lustig über mich.«
»Bestimmt nicht.«
»Warum machst du jetzt so ein ernstes Gesicht?«
Ich dachte an mein Gesicht im Spiegel des Badezimmers. Dieses skeptische Gesicht, das ich selbst nicht an mir mochte. Ich wollte aufstehen und gehen, aber als ob Sie merkten, wie unruhig ich war, griffen Sie vorsichtig nach meinem Arm und sagten plötzlich mit beruhigender Stimme: »Komm, bleib. Ich wollte dich nicht ärgern. Ich bin froh, euch hier getroffen zu haben, jemanden, mit dem ich mich unterhalten kann. In Tunis habe ich nur nervöse Kollegen aus Köln und
Berlin wiedergesehen oder Leute, die so hektisch Französisch sprechen, dass einem die Lust an dieser Sprache vergeht. Alle scheinen im Moment in diesem Land den Kopf zu verlieren. Irgendetwas brodelt unter der Oberfläche. Mach dir nicht so viele Gedanken wegen deiner Eltern - sie haben eine gute Zeit auf der Insel, und du solltest das auch versuchen. Die Menschen auf den Inseln leben anders. Der Druck der großen Städte erreicht sie immer erst später. Man kann sich zwar auf nichts verlassen, aber die Dinge finden auch so ihren Weg. Glaub mir, es ist ein gutes Leben hier.«
Sie lehnten sich auf der Bank zurück und sagten: »Weißt du was - ich bin sicher, du spielst das pubertierende Mädchen nur. Die Rolle gefällt dir. Eigentlich, glaube ich, bist du ganz vernünftig.«
Sie sogen tief die Luft ein, dann schauten Sie mir direkt in die Augen. »Warum bist du eigentlich immer allein unterwegs? Gibt es im Hotel keine Jugendlichen in deinem Alter?«
»Ich bin nicht allein. Ich treffe mich mit Tamir.«
»Tamir?«
»Der Kellner im Restaurant.«
»Sei vorsichtig. In letzter Zeit hat es immer wieder Probleme mit Touristen gegeben, vor allem mit Frauen. Sie sind freundlich zu dir, aber heimlich reden sie in den Hotels in übelster Weise über die …«
»Tamir ist nicht so.«
»Ich meine nur, du sollst vorsichtig sein.«
»Sie machen sich Sorgen um mich?«
»Kann sein.«
Der Himmel zeigte eine dunkle, mächtige Weite; über dem Meer standen die Sterne in einem gläsern weißen Glanz. Obwohl mir kalt war, sagte ich: »Ich gehe noch mal schwimmen.«
»Jetzt? Das würde ich nicht tun.«
»Ich bin nicht
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