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Das Wuestenhaus

Titel: Das Wuestenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Wolfram
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an andere Farben. Große Schatten hinter dem Gebäude, einige Bäume und ein Brunnen. Der Ägypter, der sich auf einen Stein setzt und sagt: »Gehen Sie hinein - für mich gibt es da nichts zu sehen. Mich interessiert der Blick von hier, das reicht.« Oder bildete er sich jetzt nur ein, dass der Ägypter das gesagt hatte? Sie hatten wenig miteinander
geredet auf dem Gelände. Er war um das Haus herumgegangen, hatte Wasser aus dem Brunnen getrunken und dann durch einen Seiteneingang das Haus betreten. Der Ägypter war ihm mürrisch hinterhergelaufen. Sobald er den Innenraum betreten hatte, änderte sich seine Stimmung. Er zeigte auf Ornamente, Verzierungen in den Mosaiken, redete plötzlich unentwegt auf ihn ein. Flüchtlinge und Pilger, sagte er, hätten hier seit Jahrhunderten Zuflucht gesucht, manche auch nur auf der Suche nach einer anderen Zeit. »Und nun, sagen Sie - was ist noch von der Suche dieser Menschen übrig geblieben? Ich sag’s Ihnen: Nichts!«
    Anfangs hatte er noch mitgeschrieben, sich Notizen gemacht, dann waren der Duft und die lastende Ruhe in den Hallen die stärkeren Eindrücke gewesen; insgeheim hatte er sich gewünscht, dass der Ägypter aufhören würde mit ihm zu sprechen, dass er allein an diesem Ort hätte sein können. Schließlich war eine Besuchergruppe erschienen, die sich schnell im Raum verteilte. Andere Gerüche, andere Geräusche breiteten sich aus. Der Ägypter war noch mürrischer geworden und hatte ihn gebeten, schnellstmöglich nach draußen zu gehen. Während sein Blick nun einen Moment lang auf den kleinen, ordentlichen Buchstaben in Majas Heft ruhte, fiel ihm wieder ein, wie schwindlig ihm geworden war, als er aus dem kühlen Inneren des Hauses nach draußen in die grelle Helligkeit getreten war. Wo war der Geist der Flüchtlinge, die einst hierhergekommen waren,
geblieben? Hatte er sich nicht einen solchen albernen Satz damals notiert? Oder war auch das nur eine Vermutung?
     
     
    Leider, sagten Sie, stünde das Gebäude auf dem Programm einiger großer Reiseanbieter. Es seien also Touristen in der Synagoge zu erwarten. Dann erhoben Sie sich, den Sand von der Haut streifend, und sagten, es herrsche dort eine wunderbare Ruhe. Ein weiter weißer Innenhof, offene Türen mit schmalen Halbbögen und ein besonderes Licht, das man in Europa kaum je in dieser Form finde. »Es ist wie ein Haus außerhalb der Zeit, ein Ort vollkommener Stille.«
    Sie gingen eine Weile mit meinem Vater spazieren, schwammen eine halbe Stunde allein im Meer und sagten dann, sie müssten noch etwas in Ihrem Zimmer erledigen, Vorbereitungen für die Abreise.
    Mein Vater wollte unbedingt, dass wir zu der Synagoge fuhren. »Ich würde gern einen Stein aus der Umgebung dort mitnehmen für meine Sammlung.« Wir waren dagegen, vielleicht auch aus dem Grund, dass bereits der Abend, an dem wir Ihrer Einladung zu dem Fest gefolgt waren, so merkwürdig geendet hatte. Meine Mutter sagte: »Glaubst du nicht, wir sollten ein bisschen zur Ruhe kommen? Einfach nur Zeit miteinander verbringen, ohne irgendeine neue Ablenkung?«
    Mein Vater nickte und drückte ihre Hand.

    Die Zeit bis zum Abend verging schnell. Meine Eltern hielten Mittagsschlaf in ihrem Zimmer. Ich besuchte Tamir in der Küche des Hotels, wo mir der Koch auf Tamirs Wunsch hin Hummus mit Mandeln und Öl zum Probieren gab. Eigentlich wollte ich Sie sehen, traute mich aber nicht, an Ihrer Tür zu klopfen.
    Während des Abendessens fragten Sie noch einmal meine Eltern: »Werden Sie hinfahren? Ich beneide Sie sogar ein bisschen um diese Möglichkeit.«
    Mein Vater scherzte, er könne sich mit seinen kulturellen Interessen nicht beim Rest der Familie durchsetzen. Aber er würde gerne - und das sagte er mit einer gepressten Ironie in der Stimme - nach zwei, drei weiteren Tagen allgemeinen Ausruhens vielleicht doch noch vor der Heimreise Ihrer Empfehlung folgen. Bislang könne er sich jedoch gegen die Mehrheit leider keine Stimme verschaffen. »Sie haben keine Familie, oder? Ich muss da Rücksicht nehmen.« Und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Ohne die beiden würde es mir auch keine Freude machen.«
    Beiläufig zogen Sie aus Ihrer Innentasche einen kleinen Prospekt, auf dem die Synagoge mit den weißen, schlanken Torbögen abgebildet war - und wirklich, wie eine Karawanenherberge in der Wüste sah das Haus darauf aus. »Sie haben recht, aber manche Gelegenheiten kommen nur selten. Wer weiß, wie lange solche Orte noch ihre Kraft behalten.«
    Sie

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