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Das Wüten der ganzen Welt

Das Wüten der ganzen Welt

Titel: Das Wüten der ganzen Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maarten 't Hart
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Knall ins Lagerhaus, und wohin sollst du dann als Mörder?«
    »Vielleicht haben die Menschen den Knall nicht gehört. Oder nicht darauf geachtet. Überall ballerten die Knallfrösche. Und sie haben gesungen, und ich spielte ziemlich laut Klavier, vielleicht...«
    »Kann ich nicht glauben. Sogar der Knall eines Damenrevolvers klingt wie ein Donnerschlag. Oder sollte der Schütze einen Schalldämpfer... Ach was, nein, wir sind hier nicht im Wilden Westen, nein, das geht nicht. Das muß ein ordentlicher Knall gewesen sein. Ja, sie können draußen natürlich gedacht haben, daß da ein Knallfrosch... aber... Warst du nicht erschrocken?«
    »Nein, ich war nicht erschrocken, ich spielte ganz normal weiter, ich dachte zuerst, daß mein Vater eine Papiertüte kaputtschlug, die er aufgeblasen hatte, das macht er immer am Samstag.«
    »Was? Warum macht er das?«
    »Um mir einen Schrecken einzujagen, das macht ihm Spaß, sagt er immer.«
    »Na, hör mal...« Er rieb sich die Hände, blies seine rechte Wange auf und ließ die Luft nach einer Weile aus seinem Mund entweichen. Er sagte: »Du dachtest zuerst, daß dein Vater... und was dachtest du danach?«
    »Daß irgendein gassie einen Knallfrosch bei uns reingeworfen hatte. Einen feucht gewordenen Frosch, der nicht mehr so laut knallte. Der Knall von einem normalen Knallfrosch klingt lauter als der Knall bei uns im Lagerhaus.«
    »Also, so kommen wir nicht viel weiter, wir wollen erst mal wieder zurückgehen.«
    Einen Tag später, am ersten Weihnachtstag nota bene, standen wir wieder unter einem wolkenlosen Himmel auf der Hafenmole. Er zeigte nach oben und fragte mich nach den Namen der Sternbilder. Er wunderte sich, daß ich all die Namen mühelos aufsagen konnte. »Was hast du für ein gutes Gedächtnis«, sagte er. Worauf ich, sozusagen als Entschuldigung, murmelte: »Aber da hat sich doch nichts verändert?« Danach schauten wir wieder den Windböen nach und betrachteten die Wasserkräuselungen, und Graswinckel sagte: »Junge, ich kann so schwer glauben, daß Vroombout von irgendeinem Kerl von außerhalb abgeknallt worden ist. Es muß jemand von hier gewesen sein, jemand, der schnell einen großen Hut aufgesetzt und einen Schal umgebunden hat, um seine Drecksvisage sowenig wie möglich sehen zu lassen.«
    »Aber Vroombout erkannte ihn, ich hörte ihn sagen: ›Was tun Sie hier?‹«
    »Und das sagst du jetzt erst! Siehst du wohl, es war also jemand, den wir natürlich alle mit Vor- und Nachnamen kennen, aber wie verrückt... Sie, Sie, was tun Sie hier... zu wem kann Arend denn Sie gesagt haben? Der sagt Sie nur zu meiner Wenigkeit, zum Bürgermeister und zur Königin. Es ist wirklich zum Rasendwerden. Weißt du wirklich ganz sicher, daß Arend sagte: ›Was tun Sie hier?‹«
    »Ja«,sagte ich.
    Da standen wir, und er fragte immer weiter, und doch konnte ich dem, was ich gesagt hatte, nichts mehr hinzufügen. Daß Vroombout fragte: »Was tun Sie hier?«, daß ein Knall ertönte wie von einer Papiertüte, die man kaputtschlägt, und daß ein Mann da gestanden hat mit einem Schlapphut auf und mit einem Schal vor dem Mund. Hätte ich doch auch die Gebärde erwähnt! Dann hätte sie mir abends vor dem Schlafen weniger Angst eingejagt. Aber ich glaube, ich schämte mich damals, daß auch ich bedroht war. Es kann auch sein, daß ich es nicht erwähnte, weil ich, wenn ich hellwach war, es selbst kaum glauben konnte. Oder daß ich nicht darüber sprach, weil es dann so schien, als wäre es gar nicht geschehen. Oder vielleicht war es sogar so, daß ich den Tod von Vroombout und meine eigene Bedrohung als eine Strafe ansah für das, was in der »Gärtnerei« geschehen war, und deshalb lieber schwieg. Darüber reden wäre ein Schuldbekenntnis gewesen.
    Am zweiten Weihnachtstag spazierten wir wieder unter einem wolkenlosen Himmel zur Hafenmole, und das wiederholte sich noch zweimal, und dann war es Samstag, und ich brauchte die Namen der Sternbilder nicht zu nennen. Auch am Sonntag erschien er nicht, aber am Silvesterabend war er wieder da, und es schien fast, als würden wir von jetzt an immer an Werktagen nach dem Abendessen zur Hafenmole gehen, um Sternbilder anzusehen.
    An diesem Montag sagte er, als wir unter einem stark bewölkten Himmel den Fluß erreicht hatten: »Junge, nun was ganz anderes: Hast du vielleicht mal Kleingeld angenommen... nein, nein, ich will es anders ausdrücken: Hat Arend dir ein paar Groschen angeboten, wenn er dir in die Hose gucken durfte?«
    Während er

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