Das Wüten der ganzen Welt
nee, danke bestens.«
»Aber es waren keine Leute von hier?« »Nee, absolut nicht, wo die herkamen, weiß ich nicht, das wußte Willem, und vielleicht wußte sein Bruder es auch, aber wir wußten es nicht. Wir waren auch dagegen, daß Willem diese lockeren Vögel mitnahm, aber er konnte gutes Geld dafür bekommen, und dann läßt du dir das nicht so schnell entgehen, aber jetzt siehst du mal, was dabei herauskommt... Wenn sie nicht an Bord gewesen wären, hätte dieser Moff uns doch nie...«
Er hielt sein Kinn fest, schüttelte dann den Kopf. »Nee, deren Schuld ist es, daß die ›Majuba‹... Ach, es war ein so schöner Kutter, glaub man, Willem hat das Herz geblutet, daß er sein Kutterchen verloren hat. Und nichts wiedergekriegt von der Versicherung. Für uns war es auch furchtbar. Auf einen Schlag waren wir arbeitslos, ich hab mich damals abquälen müssen, um ein paar Groschen zusammenzukratzen, und das alles einzig und allein deswegen, weil ein paar Leute unbedingt nach England hinübergefahren werden mußten. Na, du siehst selber, das englische mokkel hat nicht nur zweimal gejungt, sondern wohnt jetzt noch kerngesund in der Burgemeester de Jonghkade, und die Leute vom Noordvliet haben selbst Schluß gemacht, damit hatte kein Moff etwas zu tun, und was aus den anderen geworden ist, weiß ich nicht, aber ich behaupte mal, daß sie noch immer quietschvergnügt rumlaufen. Und wir saßen inzwischen von einem Tag auf den andern ohne Arbeit da. Ja, deren Schuld ist es.«
»Sahen die Deutschen denn, daß Flüchtlinge an Bord waren?«
»Natürlich haben sie das gesehen, sie hatten verdammt gute Feldstecher an Bord, nee, das ist für mich wirklich keine Frage mehr. Wenn sie nicht dabeigewesen wären, hätten die Moffen uns meiner Meinung nach keinen Strohhalm in den Weg gelegt, dann hätten wir bis nach Doggerbank weiterfahren können, wäre aller Hering für uns gewesen, denn die ganze Flotte ist damals zu Hause geblieben, keiner von denen traute sich auszufahren.«
»Ist Vroombout etwa ermordet worden, weil an Bord...?«
»Auf keinen Fall«, unterbrach er mich, «davon ist keine Rede. Vroom war... na ja, hier sind Kinder, also bleiben wir manierlich, aber ich kann dir versichern, daß Vroom regelmäßig nach Rotterdam ging, und dann las er sich da am Bahnhof Delftse Poort ein Bürschchen auf. Ich für meinen Teil glaube noch immer, daß einer von diesen Kumpels ihn kaltgemacht hat. Aber laß das jetzt bitte endlich ruhen... Warum willst du eigentlich wissen, wer da alles an Bord war?«
»Ich hörte von Janny Robbemond, daß ihr Vater auch auf dem Kutter war, und da wurde ich neugierig, wer da noch mit auf dem Schiff gewesen ist.«
»Ja, ja, ach ja, dieser Robbemond! Hatte doch ein Auge auf das englische mokkel geworfen! Aber die wollte nichts von ihm wissen. Ich glaube aber, daß dies mokkel wohl noch die Namen dieser beiden Pärchen ausspucken könnte, mit denen war sie sehr dicke, während sie uns völlig übersah. Ja, so eine ist das.«
»Denk bloß nicht, daß die einen grüßt, wenn man ihr auf der Straße begegnet«, sagte juffrouw Varekamp, »wir sind ihr nicht gut genug.«
Jona
Stimmt, sie müßte ich fragen, sie würde »die Namen ausspucken« können. Aber als ich auf dem Weg zur Klavierstunde war, schien das müde, staubige, goldfarbene Sonnenlicht an diesem letzten Samstagnachmittag im September einer solchen Frage ausdrücklich im Wege zu stehen. Schwer roch das Hafenwasser, schrill schrien Möwen auf der Reling der Sirius. Und wenn ich die Namen wüßte: Was dann? Wie sollte ich dann weiterkommen? Sollte ich dann die beiden geheimnisvollen Paare aufspüren? Sie verhören?
Während der Stunde war sie genauso streng und unerbittlich wie sonst. Erst als die Stunde vorbei war, wurde sie zugänglicher. Sie sagte: »Morgen legen Herman und Janny ihr Bekenntnis ab. Nach dem Gottesdienst wollen wir das ein bißchen feiern. Kommst du auch?«
»Gern«, sagte ich und dachte dabei: Dann kann ich sie vielleicht morgen fragen.
Da ich zugesagt hatte, fühlte ich mich denn auch verpflichtet, am Sonntag an dem Bekenntnisgottesdienst teilzunehmen. Pastor Dercksen predigte über Jona. Es war eine altmodische Predigt in drei Teilen. Erster Teil: Jona auf der Zunge des Walfischs. Zweiter Teil: Jona in der Kehle des Walfischs. Dritter Teil: Jona im Magen des Walfischs. Ob diese drei Stadien im Leben des Jona nun gerade oder gerade nicht mit den Stadien im Leben eines jeden Christen zusammenfielen, mit
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