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Das Wunder des Pfirsichgartens: Roman (German Edition)

Das Wunder des Pfirsichgartens: Roman (German Edition)

Titel: Das Wunder des Pfirsichgartens: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Addison Allen
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lösten sie sich gleichzeitig voneinander.
    Einen Moment lang sahen sie sich nur tief in die Augen. Colin hielt noch immer ihr Gesicht umfasst. Er streichelte mit den Daumen kurz über ihre Wangenknochen, dann sagte er: »Ja, jetzt will ich dich verführen.«
    »Vielleicht will ich gar nicht verführt werden.« Nach dem, was gerade passiert war, wussten beide, dass das eine Lüge war. Aber er war so nett, sie nicht darauf hinzuweisen.
    »Was willst du dann?« Als sie ihm die Antwort schuldig blieb, lächelte er und sagte: »Ich erwarte dich morgen.«
    Und dann ging er.
    Noch vor wenigen Tagen hätte sie ihm eine klare Antwort geben können und gesagt, sie wolle die Vergangenheit hinter sich lassen und ein anständiges, ruhiges Leben führen.
    Aber jetzt war sie sich nicht mehr so sicher.
    Wie verführt man jemanden, indem man einen Baum einpflanzt? Diese Frage war es, die Willa letztlich dazu bewegte, Colins Einladung zu folgen. Sie überließ Rachel den Laden und fuhr zum Jackson Hill. Am Fuß des Hügels musste sie den Wagen stehen lassen und hinauflaufen, weil die Straße für den normalen Verkehr gesperrt worden war. Das überraschte sie.
    Noch überraschender waren all die Leute. Den ganzen Weg zum Madam hoch standen Leute am Straßenrand – Schaulustige, Fotografen und sogar ein Fernsehteam. Sie warteten alle auf die Ankunft des Baums.
    Wie viele Leute wollte er heute verführen? Offenbar war die Sache doch beeindruckender, als sie gedacht hatte.
    Oben angekommen, blieb sie stehen und betrachtete das Haus. Sie versuchte, sich ihre Großmutter mit siebzehn vorzustellen, wie sie hier gelebt hatte in eleganter Armut, als dieser charmante Betrüger eingezogen war und versprochen hatte, sie alle zu retten. Hatte sich Georgie in ihn verliebt? War sie von ihm schwanger geworden? Nein, natürlich nicht. Das konnte sich Willa nicht vorstellen. Aber was war, wenn Agatha sich ebenfalls in ihn verliebt hatte? Was war, wenn sie und Georgie Rivalinnen geworden waren? Vielleicht hatte sie ihn deshalb umgebracht?
    Neben der Stelle, an der der Pfirsichbaum gestanden hatte, lag ein großer Erdhaufen. Plötzlich fiel Willa ein, dass ihre Großmutter gewusst haben musste, was passiert war. In den Rundbriefen stand, dass sie in jenem Sommer aus der Gesellschaft verschwunden war. Das bedeutete, dass sie hier gewesen sein und alles gesehen haben musste. Sie wusste, was Agatha getan hatte, ließ aber nie etwas darüber verlauten.
    Willas Blick fiel auf Paxton. Sie unterhielt sich gerade mit einem Betreuer von einem der Ferienlager in der Umgebung, die von der Osgood-Stiftung unterstützt wurden. Die Kinder aus dem Camp warteten mit selbst gebastelten Fähnchen in den Händen, um den Baum willkommen zu heißen.
    Als Paxton Willa bemerkte, kehrte sie ihr den Rücken zu. Willa fragte sich, was in jenem Sommer zwischen ihren Großmüttern vorgefallen war.
    Einer der Bagger hupte und zog Willas Aufmerksamkeit auf das riesige Loch seitlich des Madam und die vielen Männer mit ihren Gerätschaften, die darum herumstanden. Schließlich entdeckte sie auch Colin, der mit seinem Handy am Ohr unruhig im Park umherlief. Dann steckte er das Telefon ein und trat an den Rand des Hügels.
    Willa folgte seinem Blick und stellte fest, dass er in Richtung Highway schaute. Wahrscheinlich hatte er gerade die voraussichtliche Ankunftszeit des Baums erfahren. Und tatsächlich – bald tauchte in der Ferne das Gefährt mit dem Riesen auf. Langsam und von Polizeiautos mit ihren Warnlampen begleitet, fuhr der Schwertransporter auf dem Highway, der für den normalen Verkehr gesperrt worden war. Der alte Baum hatte etwas Majestätisches an sich, wie er da stolz auf einem umgebauten Tieflader aufragte.
    Erst eine Dreiviertelstunde später tauchte das Gefährt am Fuß des Jackson Hill auf und kroch langsam, unter dem gigantischen Gewicht seiner Fracht ächzend, die Straße empor. Aus der Nähe sah diese über hundert Jahre alte Eiche sogar noch majestätischer aus. Sie war gut zwölf Meter hoch, und ihr Umfang musste an die vierundzwanzig Meter betragen. Die Leute am Wegrand klatschten und jubelten, als der Baum an ihnen vorbeifuhr. Offenbar waren sie ebenso ergriffen wie Willa von dieser verrückten, noblen Idee, einen Baum zu retten, der wahrscheinlich während des Bürgerkriegs gepflanzt worden war.
    Es dauerte quälend lange, bis der Baum endlich an seinem Ziel angelangt war. Die meisten Leute gingen im Verlauf der nächsten paar Stunden. Willa gehörte zu

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