Das Wunder des Pfirsichgartens: Roman (German Edition)
Aber ich weiß zufällig, dass sie heute zwischen vier und fünf Uhr dort sein wird.«
Er nickte, riss das Blatt ab und steckte es ein.
Willa ging hinaus. Sebastian begleitete sie bis zur Empfangstheke, wobei er die Hand auf ihren Rücken legte, knapp oberhalb des Pos. Dort ruhte sie sehr fest. In diesem Moment begriff sie es endlich – einfach so. »Ich musste aufhören zu sein, was alle von mir dachten.« Das hatte er ihr am Samstag vor ihrem Laden erklärt.
Verblüfft drehte sie sich zu ihm um, und er zwinkerte ihr zu.
O Paxton!, dachte sie, du hast keine Ahnung, was dich erwartet.
Sie trat lächelnd in den sonnigen Vormittag hinaus. Das Schicksal verspricht dir nicht, dir alles zu offenbaren. Nicht immer wird dir der Weg gezeigt, den du beschreiten sollst. Aber Willa hatte in den vergangenen Wochen eines gelernt: Mit viel Glück trifft man jemanden, der eine Karte dabeihat.
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt; und wenn man keine Angst hat, dann macht man etwas falsch. Das hatte Paxton bislang noch niemand gesagt. Es war wie ein Geheimnis, das die Welt ihr vorenthalten hatte. Paxton ging keine Wagnisse ein, zumindest nicht, solange sie nüchtern war. Sie wusste ganz genau, worauf sie sich einließ, bevor sie sich zu etwas entschloss. Dass all die Veränderungen, die sie in letzter Zeit vorgenommen hatte, sie zu Tode ängstigten, musste ein gutes Zeichen sein.
Um vier Uhr öffnete sie mit den Schlüsseln, die ihr Kirsty Lemon überlassen hatte, zum ersten Mal die Tür ihres Hauses. Willa hatte sie angerufen und ihr gesagt, dass sie es leider doch nicht schaffen würde herzukommen. Paxton stellte die Schachtel mit Donuts, die sie gerade gekauft hatte, auf die Küchentheke und beschloss, die Zeit mit dem zu nutzen, was sie am besten konnte.
Listen anfertigen.
Sie war auf der sechsten Seite angelangt, als es klingelte. Bislang war sie von Raum zu Raum gewandert, hatte die Räume vermessen, kleine Skizzen gemacht und notiert, wo sie die Möbel hinstellen wollte. Sie nahm die Stöpsel ihres iPods aus den Ohren und ging zur Tür. Vielleicht hatte es Willa ja doch noch geschafft, sich freizunehmen? Es war Viertel vor fünf. Paxton musste bald wieder los, aber die Zeit reichte noch für eine kleine Besichtigungstour.
Als sie die Tür öffnete, stand der Mensch, mit dem sie am wenigsten gerechnet hatte, auf der Schwelle.
Er hatte die Krawatte gelockert, und seine Haare sahen aus, als wäre er einmal zu oft durch sie hindurchgefahren. »Sebastian!«, rief sie. »Woher weißt du, dass ich hier bin?«
»Willa hat es mir gesagt«, erwiderte er. »Warum nicht du?«
Willa hatte es ihm gesagt? Verdutzt trat sie beiseite und ließ ihn ein. »Es ist ziemlich schnell gegangen.«
»Das ist ein großer Schritt für dich.«
»Er war überfällig.«
Sebastian sah sich um, die Hände in den Taschen. Er wirkte so distanziert, dass es ihr in der Seele wehtat. »Ich habe eine Frage«, sagte er. »Eine, die mir ständig durch den Kopf geht. Warum hast du mich geküsst, nachdem du vor all den Jahren beobachtet hast, dass ich einen Mann geküsst habe? Steckt in dir irgendeine perverse Seite, die ich nicht kenne, Pax? Hat es dich angeturnt?«
Diese Frage erwischte sie eiskalt. »Nein!«, widersprach sie empört. »So war es überhaupt nicht.« Er starrte sie an, und sie schüttelte den Kopf. »Meine Güte, Sebastian, die Leute verlieben sich ständig. Sie verlieben sich nicht immer in den Richtigen, und die Liebe wird nicht immer erwidert. Gut, ich habe mich in dich verliebt. Ich kann nichts dagegen tun und es nicht abstellen. Aber ich mache das mit mir selbst aus, bis dieses Gefühl wieder verschwindet oder sich zumindest so weit abschwächt, dass ich dich sehen kann, ohne dich gleichzeitig so schrecklich zu begehren. An diesem Abend im Pool hatte ich das Gefühl, dass mir die Kontrolle entgleitet. Ich hasse dieses Gefühl. Und dann bist du vorbeigekommen, weil du der Einzige warst, der sich um mich Sorgen gemacht hat. Wenn dir so viel an mir liegt, dachte ich, dann könnte ich aus unserer Beziehung vielleicht doch mehr machen. Es war egoistisch und unbedacht von mir, und es tut mir schrecklich leid. Das habe ich ja schon ziemlich oft wiederholt. Ich weiß nicht, was ich sonst noch sagen soll.«
»Setz dich«, forderte er sie auf. »Ich muss mit dir reden.«
»Ich habe keine Stühle. Und ich weiß nicht, ob ich das hören will, was du mir jetzt sagen willst.«
Er nahm sie am Arm und führte sie zur Treppe. »Setz dich und
Weitere Kostenlose Bücher