Das Wunder von Grauenfels (German Edition)
Berit dieSache auch ein bisschen sportlich sah. Tatsächlich zeigte sie ihm jetzt jedoch die kalte Schulter.
Frau Clarsen wollte ihm zwar noch einen Kaffee anbieten, während Berit sich um Igor Barhaupt kümmerte. Berit entzog ihr kurz darauf jedoch energisch die Kanne. Der Blick, den sie Ruben im Vorbeigehen zuwarf, bevor sie wieder in Igors Büro verschwand, verdarb ihm sowieso die Lust auf das Heißgetränk. Zumindest heute war er hier sicherlich nicht mehr erwünscht. Am nächsten Tag konnte er es ja noch mal mit einem Anruf versuchen. Aber jetzt musste er erst mal zurück nach Hamburg und seinen Artikel schreiben. Wenn er etwas Tempo machte, schaffte er es noch bis zum nächsten Redaktionsschluss …
Die Autobahn nach Norden war frei, aber Ruben ertappte sich beim Trödeln von einer Raststätte zur anderen. Gewöhnlich formulierte er auf dem Rückweg von einem Interviewtermin bereits seinen Artikel, aber diesmal wollten ihm Berits enttäuschter Blick und die Tränen im Gesicht des vierschrötigen Bürgermeisters nicht aus dem Kopf. Da konnte er sich zehnmal sagen, dass es letztlich nicht seine Schuld war, wenn Barhaupt sich einen so gigantischen Bluff erlaubte und sich dann auch noch erwischen ließ …
Ruben beschloss trotzig, seinen Artikel möglichst noch heute abzufassen. Dann wäre diese Geschichte um Grauenfels endlich vom Tisch – und Berit … Die würde sich schon wieder beruhigen.
Als Ruben endlich die Tür zu seiner Hamburger Wohnung aufschloss, griff er dann aber trotzdem zunächst zum Telefon statt zum Laptop. Für den Redaktionsschluss, entschied er, war es inzwischen sowieso zu spät, da lohnte sich keine Nachtarbeit. Und wenn der Artikel erst in der übernächsten Ausgabe erschien, war das ja auch nicht schlimm …
Berit meldete sich sofort, als Ruben ihre Nummer wählte,legte dann aber ohne ein Wort auf. Beim zweiten Mal ließ sie sich durch Frau Clarsen verleugnen. Das Gleiche wiederholte sich am nächsten Tag und am übernächsten. Ruben versuchte es mit E-Mails, bekam aber keine Antwort. Nach drei Tagen war er so weich gekocht, dass er ihr Blumen schickte. Auch darauf kam keine Reaktion.
Eine Woche später hatte er den Artikel über Grauenfels zwar immer noch nicht angefangen, aber immerhin Klein gegenüber erwähnt. Der Chefredakteur war sofort Feuer und Flamme.
»Das wird ein richtig schöner Aufmacher«, begeisterte er sich. »Ein starkes Stück. »Himmlische Hilfe gegen Strukturschwäche! Madonna schafft blühende Landschaften! Im Grunde ist das genial! Bis wann kann ich es denn nun haben?«
Ruben druckste herum und dankte dem Himmel, dass jetzt erst mal Wochenende war. Er dachte flüchtig daran, zur Erscheinung nach Grauenfels zu fahren. Aber der nächste Auftritt der Dame stand wohl erst am kommenden Sonntag an. Wenn die Crew sich dann noch traute! Die Lupe erschien am Donnerstag.
Rubens Wunsch, Berit wiederzusehen, wurde allerdings langsam übermächtig. Statt endlich mit dem Text zu beginnen, vergrübelte er den halben Samstag auf der Suche nach einer unverfänglichen Möglichkeit zur Kontaktaufnahme. Darauf, dass Berit von sich aus das Eis brechen könnte, wagte er inzwischen gar nicht mehr zu hoffen. Umso überraschter war er, als sie Samstagabend anrief.
»Danke für die Blumen«, sagte sie förmlich.
Ruben wusste vor Erleichterung nicht, was er antworten sollte.
»Ich bin so froh, dass du anrufst«, meinte er schließlich. »Ich hab schon gedacht, du … Ich wollte wirklich nicht, dass du mir böse bist.«
»Du wolltest nicht, dass ich dir böse bin?«, explodierte sie.
»Warum torpedierst du dann meine Arbeit, ohne mich wenigstens zu warnen?«
»Berit, ich habe nicht heimlich recherchiert«, verteidigte sich Ruben.
»Nein? Also im Zentrum der Ereignisse kannst du diesen miesen kleinen Marco wohl kaum aufgegriffen haben.«
Ruben seufzte und bereute, Barhaupt seinen Informanten genannt zu haben. »Genau da, Berit, auch wenn du’s nicht glaubst, aber genau da. Im Schatten der Erscheinung, könnte man sagen.« Ruben beschloss, zum Angriff überzugehen. »Was ist denn überhaupt mit deinen Geheimnissen? Mit wem warst du zum Beispiel in Paris? Was hast du da gemacht?«
»Da hab ich mich mit Gérard Depardieu auf ein Schäferstündchen getroffen. Er wollte dringend einen gesegneten Rosenkranz«, konterte Berit patzig. »Bin ich dir Rechenschaft schuldig?«
Ruben biss sich auf die Lippen. Die Erwähnung von Paris war auf jeden Fall ein Fehler gewesen.
»Berit, wenn
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