Das Wunder von Grauenfels (German Edition)
irgendein Verein mit drei psychisch labilen Frauen. Aus dem Bürgermeisteramt und von der Gemeinde her gibt es keinen Rückhalt. Im Gegenteil. Der Bürgermeister hat den Bischof ausdrücklich gebeten, den Quatsch zu verbieten.«
»Eigentlich gar nicht verwunderlich, wenn die Jungfrau da abwandert«, lächelte Berit. »Nachdem sie so unfreundlich aufgenommen wurde.«
Barhaupt grinste nun ebenfalls. »In Grauenfels wäre sie jedenfalls willkommen. Auch wenn die Menschen bei uns sonst nicht so gläubig sind. Muss sie, äh, muss sie wirklich Jungfrau sein?«
»Die Gläubigen kommen bestimmt«, versicherte Gina und ließ die Sache mit der Jungfrau offen. »Da machen Sie sich mal keine Sorgen. Wollen wir gleich in die Feinplanung einsteigen? Oder möchten Sie die Sache noch mal überschlafen?«
Barhaupt dachte kurz nach. »Sie würden mir zusichern, dass alles legal ist?«, fragte er dann.
»Es ist jedenfalls nicht strafbar«, sagte Berit vorsichtig. »Dies ist ein freies Land. Hier kann jeder sehen, was er will.«
»Und eine andere Möglichkeit gibt es nicht?«, versicherte sich Barhaupt.
Berit und Gina schüttelten die Köpfe so gleichmäßig wie die Seherkinder von Medjugorge.
»Dann sollten wir einen drauf trinken.« Barhaupt grinste erneut.
Berit lächelte. »Auf das Wunder von Grauenfels!«
»Das Hauptproblem ist natürlich die Auswahl der Kinder«, meinte Gina ein paar Schnäpse später. Die Serviererin hatte ein wenig komisch geguckt, als Berit nach einem ›Klosterlikör‹ fragte, schließlich aber einen hochprozentigen Klaren auf den Tisch gestellt. Angeblich war er von bayerischen Mönchen hinter Klostermauern gebrannt.
Für Gina erklärte er alle Mariensichtungen bei Ordensleuten. Eingefleischten Atheisten erschien vermutlich eher Lollo Ferrari. »Sie müssen vorzeigbar sein, gut erzogen, intelligent genug zum Mitspielen und schauspielerisch begabt.«
»Vor allem brauchen sie einen Anreiz«, gab Berit zu bedenken. »Das ist schließlich kein Zuckerschlecken, was wir ihnen da zumuten. Wenn die ersten Wunder geschehen sind, wird die Kirche die Erscheinung prüfen. Das heißt, man wird Theologen, Mediziner und Psychologen auf die Kinder loslassen. Sie müssen schon recht gefestigt sein, damit sie dabei nicht umfallen.«
»Wie – wie haben das denn wohl die anderen gemacht?« Bei Barhaupt schlug der Schnaps langsam auf die Zunge.
Berit zuckte die Achseln. »Die meisten Kinder sind wohl selbst auf die Idee gekommen, die Jungfrau zu sehen. Man darf ja nicht davon ausgehen, dass alle Erscheinungen von Saragossa bis Fátima getürkt waren. Damals dachte schließlich kein Mensch an Belebung des Fremdenverkehrs. Ich denke, es hat sich hochgeschaukelt. Ein paar Kinder bildeten sich etwas ein, ein paar Erwachsene fuhren darauf ab – und zum Schlusswaren alle felsenfest von der Erscheinung überzeugt. Bei den Kindern in Kroatien würde ich allerdings auf Druck tippen. Von selbst lernen Kinder eher nicht so viel auswendig. Na ja, und die Typen in Marpingen schreiben ihre Texte sowieso selbst. Danach hören sie sich dann auch an.«
»Wir müssen auf jeden Fall den Pastor einweihen«, entschied Barhaupt. »Im Ernst, gucken Sie nicht so misstrauisch, ohne Pastor Jaeger kriegen wir das nie hin. Der leitet nämlich unseren Jugendclub. Mit Theatergruppe. Wenn uns einer ein Kind empfehlen kann, dann er.«
»Aber ein Pastor?« Gina griff skeptisch nach ihrem Glas. »Der sollte das doch eher glauben, statt mit uns aushecken.«
»Ne, ne, Jaeger ist von der Konkurrenz. Glauben muss das der Kathole aus Tatenbeck. Ich freu mich schon auf das dumme Gesicht. Wenn diesmal Grauenfels die Sache deichselt.« Barhaupt lächelte fast überirdisch. Der Tatenbecker Pfarrer schien nicht zu seinen engeren Freunden zu gehören.
In den nächsten Minuten erfuhren die Freundinnen dann haarklein von den erstklassigen Beziehungen des Tatenbecker Pfarrers zum Bischof, dessen Schwester wiederum mit einem Industriellen verheiratet war. Laut Barhaupt verdankte Tatenbeck seine florierende Tierverwertungsfabrik vor allem katholischen Connections. Und außerdem war Pfarrer Herberger der Erste, der eine Bürgerinitiative gegen die geplante Endlagerstätte für Uranbrennstäbe initiiert hatte. Barhaupt und sein Vorgänger hatten ihm das nie verziehen. Von der Idee mit dem Atommüll sei Pastor Jaeger allerdings auch nicht so begeistert gewesen.
»Aber wenn’s geklappt hätte«, meinte Barhaupt mit schwerer Zunge, »dann hätte der die Anlage
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