Das Wunder von Grauenfels (German Edition)
seine Helfer würden die gesamte Jugend der Stadt zur Schatzsuche in den Wald schicken. Claudia war selbstverständlich dabei, Sophie würde ihren kleinen Bruder begleiten. Die Erscheinung sollte dann an einem der Checkpunkte im Beisein von zwei Erwachsenen und möglichst vielenJugendlichen stattfinden. Berit und Gina konnten sie natürlich nicht verfolgen, ebenso wenig wie alle anderen Eingeweihten. Höchstens Pastor Jaeger mochte einen Vorwand finden. Ansonsten waren Claudia und Sophie ganz auf sich allein gestellt. Erst nach der zweiten oder dritten Erscheinung, wenn die Pilgerfahrten angelaufen waren, sollten Berit und Gina offiziell nach Grauenfels kommen. Ortsvorsteher Barhaupt würde sie als Medienreferentinnen anstellen. Wenn dann mindestens fünfzig oder hundert Besucher anwesend sein würden, konnte MM Claudia und Sophie die Quelle offenbaren. Danach würde sich, nach Berits und Ginas Plänen, das Wunder verselbstständigen.
»Woher wissen die Pilger denn eigentlich, wann sie kommen sollen?«, fragte Barhaupt. »Hocken die dann jeden Tag im Wald und warten aufs Wunder oder was? Ich mein, im Schlangestehen haben sie hier ja Übung.«
»Aber nicht doch.« Berit lachte. » Mother Mary hatte von jeher Sinn für Verkehrsplanung. Unangemeldet kommt sie nur beim ersten Mal. Dann offenbart sie jedoch die nächsten Termine.«
»Im Ernst?« Barhaupt wunderte sich. »Von Marpingen hatte ich das natürlich gelesen. Aber das war für mich der sichere Beweis, dass die Sache getürkt ist. Wieso soll eine himmlische Erscheinung nach Fahrplan kommen?«
»Vielleicht, weil selbst heilige kleine Hirtenkinder ein bisschen mediengeil sind.« Gina lachte. »Unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit MM zu plaudern macht keinen Spaß. Also lässt man sie nach Vorankündigung erscheinen. Und sie ist pünktlich! Da kann sich die Bahn ’ne Scheibe abschneiden.«
»Und wieso erscheint sie dann nicht gleich allen?«, überlegte Barhaupt und raufte seinen Bart. »Wenn das Haus sowieso voll ist, wieso sehen sie dann nur ein paar Kinder? Hat sich das nie einer gefragt?«
Berit zupfte an ihrem Pony. »Herr Barhaupt, wenn Sie mitLogik an die Sache herangehen wollen, können Sie auch gleich die entscheidende Preisfrage stellen: Wenn MM der Welt was zu sagen hat, warum tut sie’s in Medjugorge? Es wäre doch ein Klacks für sie, sich Ostern auf den Petersplatz zu begeben, sich der Menge und obendrein den Fernsehkameras zu zeigen und ihre Botschaft an die Christenheit zu verkünden. Ohne Zwischenschaltung ungebildeter Kinder, ohne Redebeschränkung durch die Glaubenslehre der Kirche und ohne zeitraubende Prüfungsverfahren. Aber das passiert eben nicht. Diese Erscheinungen sind Hollywoodstoff, Herr Barhaupt. Genauso logisch wie Highlander oder Superman. Also, vergessen wir die Logik und planen wir die Show. Die Mädchen und wir sorgen für die Erscheinung, Sie regeln die Pilgerströme.«
Claudia und Sophie machten ihre Sache tadellos. Claudia war ohnehin in Hochstimmung. Ihre Sandy in Grease hatte Beifallsstürme entfesselt. Danach ging sie ganz in der Feinplanung der Erscheinung auf und studierte ihren kleinen Text mit der Konzentration einer großen Mimin.
Sophie interessierte sich eher für das Drumherum. MM’s Outfit zum Beispiel. Ginas Entwürfe der Erscheinung trafen nicht auf Sophies Gegenliebe.
»Hier sieht sie aus wie ein Rauschgoldengel«, meinte das Mädchen zu Ginas erster Skizze. »Und hier wie eine Nonne. Glaubst du wirklich, sie fummelt an diesem Rosenkranz rum, während sie mit uns spricht?« Die Mädchen und BeGin waren inzwischen per du.
Gina zuckte die Achseln. »Ich hab mich ganz nach den Vorgaben gerichtet. Alle bisherigen Seher beschrieben die Dame als weiß gewandet, in der Regel noch Sternchen am Kleid. Allenfalls mal blauer Mantel oder blauer Gürtel. Was kann ich dazu, wenn sie rumfliegt wie eine Debütantin? Ihr habt Glück, dass sie nicht noch das Baby mitbringt. In Marpingen zog sie mit Sohn und Engelsgefolge ein.«
»Aber den Kitsch glaubt doch keiner. Es muss ein bisschen moderner sein. Warte mal: So wie das Hochzeitskleid von Prinzessin Diana! Meine Mutter hat davon ein Foto. Sah cool aus«, meinte Sophie.
»Wo sie Recht hat, hat sie Recht«, bemerkte Berit mit einem Blick auf die Entwürfe. »Dianas Kleid war besser als das hier. Kannst du bis hin zum Krönchen übernehmen.«
Gina zeichnete weisungsgemäß. »Aber der Schleier muss ein bisschen schlichter sein«, meinte sie schließlich. »Den
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