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Das Wunder von Grauenfels (German Edition)

Das Wunder von Grauenfels (German Edition)

Titel: Das Wunder von Grauenfels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktoria Benjamin
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Schleier machen wir blau. Oder halt, wir legen ihr mehr so ein Cape um. Mit großer Kapuze statt Schleier. Warum soll sie auch einen Schleier tragen? Ist doch keine Muslimin. Aber so ein Cape, das ganz weich über das Haar fällt – das ist Spitze!«
    »Ist sie eigentlich blond oder dunkelhaarig?«, fragte Claudia.
    »Dunkel, sie ist doch Orientalin. Und sie trägt das Haar aufgesteckt oder jedenfalls aus dem Gesicht gekämmt.«
    »Wie Marcia Haydee«, bemerkte Sophie. »Und soll sie nun lächeln oder ganz streng gucken?«
    »Je nachdem, was sie sagt«, erklärte Gina. »Sie hat eine ganz normale Mimik, sagen alle. Wir sprechen das dann jeweils ab. Wir werden auch mit verteilten Rollen proben. Ihr müsst hundertprozentig genau wissen, wie lange MM für diesen oder jenen Gesprächsbeitrag braucht. Das wird schließlich aufgenommen. Ich will nicht so eine Pfuscherei wie in Marpingen.«
    »Du meinst, wir kommen ins Fernsehen?«, fragte Claudia hoffnungsvoll.
    »Wird sich nicht vermeiden lassen«, grinste Gina. »Wetten, ihr lernt Günther Jauch kennen?«
    Gina konnte sich nicht beherrschen. Sie prustete los, als sie den entrückten Ausdruck in Claudias Gesicht sah. Das Mädchen schaute sie so anbetend an, als wäre sie wirklich vomHimmel gestiegen. Als Sophie nun auch noch auf die Knie fiel, wand sich Gina in Lachkrämpfen.
    »Ein bisschen mehr Ernst!«, schimpfte Berit und unterbrach die Generalprobe. »Wie sollen die Mädchen sich konzentrieren, wenn du losgackerst wie ein Teenager? Jetzt sprich endlich deinen Text!«
    »T-t-tut mir Leid«, kicherte Gina, »aber die zwei sind einfach zu gut. Kannst du nicht die Jungfrau machen?«
    »Nein, ich mache die Textkontrolle«, sagte Berit. »Das Gespräch muss natürlich ablaufen, die Dialoge dürfen nicht gestelzt wirken. Und das höre ich nur, wenn es jemand anders spricht. Noch mal jetzt, und nicht so albern.«
    BeGin hatte sich in Barhaupts Büro im Hinterraum seines Ladens ein konspiratives Hauptquartier eingerichtet – einschließlich Deckchen für den Glücksdrachen. Claudia hatte sich zwar sanft gegen die Stirn getippt, als Gina es liebevoll in einer Ecke drapierte, aber BeGin war entschlossen, kein Risiko einzugehen.
    Natürlich war die Anreise zu den Treffen schwierig – Berit und Gina sollten schließlich noch nicht in Grauenfels gesehen werden. Barhaupt pflegte die beiden folglich in seinem klapprigen Firmenwagen, einem voll gestopften, aber von außen nicht einsehbaren VW-Bus einzuschleusen. In den letzten Tagen vor der Erscheinung mussten sie mit den Mädchen trainieren, das ging nicht anders. Nun spielten Claudia und Sophie ihren Part auf dem Teppich durch, Gina mimte die Jungfrau und stand auf einem Stuhl.
    »Erst der Blitz«, gab Berit Regieanweisung. Bei früheren Erscheinungen war stets von plötzlichem, hellem Licht vor Ankunft Marias berichtet worden. Insofern bedeckten sich jetzt auch Claudia und Sophie irritiert die Augen. Fasziniert sah Gina, wie sich Claudias Pupillen zusammenzogen. Das Schauspieltalent versenkte sich derart in seine Rolle, dass es körperlich auf den Blitz reagierte.
    Danach – die Mädchen sollten sich von einem Meer aus Licht umfangen fühlen – sank Sophie nach kurzer Zeit auf die Knie. Claudia folgte, als MM erschien.
    »Habt keine Angst, meine Kinder«, sagte Gina und kämpfte schon wieder mit dem Kichern.
    »W-was wollen Sie denn?«, stotterte Claudia.
    »Ich komme, euch das Licht zu bringen. – Blöder Text, Berit, wirklich!«, unterbrach sich Gina.
    »In Fátima haben sie gefragt, woher sie kommt, und sie hat ›Vom Himmel‹ geantwortet. Das war noch einfallsloser. Du weißt genau, dass ich keine intelligenteren Texte schreiben darf. Das haben wir ’zigmal durchdiskutiert. Jetzt mach weiter!«
    »Sind Sie eine Göttin oder so was?«
    Die Jungfrau lächelte. »Es gibt nur einen Gott. Mir gab man viele Namen. Der Menschensohn nannte mich Mutter.«
    Diese Textstelle war kritisch. Weder Sophie noch Claudia konnten mit dem Begriff »Menschensohn« etwas anfangen. Außerdem outete sich die Jungfrau damit gefährlich deutlich. Sophie hatte das Problem schließlich gelöst, indem sie sich beim Rollenspiel – auch die Befragung der Seherinnen nach der Erscheinung hatte Berit mehrmals geprobt – ständig verhaspelte. Die beiden Mädchen würden sich einfach nicht sicher sein, was MM hier gesagt oder gemeint hatte. Der Inquisitor sollte selbst auf die richtige Spur kommen.
    »Was wollen Sie von uns?«, fragte Sophie

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