Das Wunder von Grauenfels (German Edition)
so einfach …«
»Aber es war auch schön«, fügte Sophie mit engelhaftem Ausdruck hinzu. »Ich fühlte mich plötzlich so leicht, als das Wasser dann floss … also ich bin irgendwie … glücklich.«
Barhaupt und das restliche Team waren nur noch müde, als sie sich endlich, gegen Mitternacht, im Bürgermeisteramt trafen.
Die Aufregung im Wäldchen war erst bei Dunkelwerden abgeebbt. Bis dann auch die letzten Hysteriker beruhigt und die letzten Autos aus dem Ort geleitet waren, wurde es endgültig Nacht. Nun öffnete Barhaupt die Sektflaschen.
»Na also, die Quelle sprudelt«, meinte er erleichtert und schüttete Gina und Berit ein. »Wie ist die Bilanz?«
»Geschätzt etwa tausend Besucher, darunter circa fünfzig Medienvertreter, die alle was zu sehen gekriegt haben, mindestens dreißig Heilungen, wenn nicht mehr …«, erklärte Gina.
»Leider auch zwei Herzanfälle und ein Schlaganfall, zig Fälle von Hyperventilation und hysterischen Anfällen, die medizinisch behandelt werden mussten … Das gleicht sich ziemlich aus, wenn Sie mich fragen«, dämpfte Doktor Hoffmann ihren Enthusiasmus.
»Beim nächsten Mal brauchen wir mehr Krankenwagen, das ist sicher.« Berit kam weiterer Kritik zuvor. »Und mehr Polizei, teilweise war die Angelegenheit ja völlig aus dem Ruder. Und wir müssen jetzt jedes Mal mit größerem Andrang rechnen. Auch schon zwischen den Erscheinungsterminen. Ab morgen rücken hier die Leute mit Kanistern an. Garantiert kommt auch das Fernsehen. Und die Kirche wird sich einschalten. Bin gespannt, was der Bischof zu sagen hat.«
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Die Sache mit der Nase
H ier, Ruben, ist das nichts für dich?« Herbert Klein, leitender Redakteur des Wochenmagazins Lupe, warf seinem Mitarbeiter Ruben Lennart einen Zeitungsausschnitt auf den Schreibtisch.
»Marienerscheinung in Grauenfels – Witz oder Wunder?« Ruben überflog die Schlagzeile.
»Wieso für mich?«, erkundigte er sich unwillig. »Ist für Seligsprechungen nicht der Papst zuständig?«
»Der betreibt das zu inflationär«, gab Klein zurück. »Aber im Ernst, das Ganze läuft in Thüringen, da willst du doch sowieso hin. Und seit deiner Artikelserie über UFO-Sichtungen bist du hier der Experte für himmlische Phänomene.«
Ruben zog die Stirn kraus und hob eine seiner buschigen Augenbrauen wie weiland Mister Spock. »Ich sammele heute noch Drohbriefe von beleidigten Ufologen. Kann ich gut drauf verzichten. Und meine neue Serie handelt vom Lebensgefühl in den neuen Bundesländern, wie du dich erinnerst. Wenn ich was über Mariengläubigkeit machen will, geh ich nach Lourdes. Die haben auch besseres Wetter.« Ruben warf einen Blick durchs Fenster in den Hamburger Nieselregen und legte das Blatt unwillig beiseite.
»Warum in die Ferne schweifen?«, bemerkte sein Kollege Hans Werther vom Schreibtisch nebenan. »Nix Südfrankreich oder Ex-Jugoslawien, Spesenabrechnungen aus Thüringen! Die Madonna erscheint heute kostensparend gleich vor der Haustür. Und wenn das nichts über das Lebensgefühl inden neuen Bundesländern aussagt, wenn sich da plötzlich der Himmel öffnet, dann weiß ich auch nicht.«
»Ich kann’s mir ja mal anschauen.« Ruben seufzte und griff erneut nach dem Zeitungsausschnitt. Zu seiner Überraschung erwies er sich als recht kurzweilig abgefasst:
Wenn es nach dem Tatenbecker Pfarrer Runold Herberger und seinem Bischof Ferdinand Hinz ginge, dann erschiene die Jungfrau Maria nur braven katholischen Mädchen – am besten weit weg in abgelegenen Bergregionen, wo Kinder noch Schafe hüten, statt im Internet zu surfen. Stattdessen vermeldet man die neueste Marienerscheinung jedoch aus der Kleinstadt Grauenfels, im hintersten Thüringen auch nicht gerade zentral gelegen, aber doch immerhin mit Internetanschluss und garantiert Schaf-frei – die LPG, vormals einer der größten Arbeitgeber der Region, wurde kurz nach der Wende geschlossen. Betroffen sind die Lehrertochter Claudia M. und ihre Klassenkameradin Sophie B., die mit ihrer berühmten Vorgängerin aus Fátima lediglich den Vornamen gemeinsam hat. Das ganz und gar weltlich gesinnte Mädchen träumt von einer Ballettkarriere, schwärmt für die Murphy Family und sammelt Teddybären. Auch Sophies Bruder, Bernhard B., ein niedliches Kind mit Strubbelhaaren und unwiderstehlichem Sprachfehler, will die »Dame« gesehen haben, gibt ihre Verlautbarungen allerdings nur unvollständig wieder. Dafür sorgt er für eine possierliche Note – schon jetzt wird der »Kleine
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