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Das Wunder von Treviso

Das Wunder von Treviso

Titel: Das Wunder von Treviso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Falk
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im eigenen Hause erschienen. Seine Frau war außer sich.
    «Wo bleibt er nur? Um zwei Uhr sollte er hier sein, nun ist es schon halb drei, und noch immer ist kein Zipfel des Anzugs fertig. Und das, wo es nur noch zehn Tage bis zur Hochzeit sind! Dio mio, ich werde noch wahnsinnig mit diesem Mann!» Sie griff nochmal zum Hörer, aber auch auf vierundzwanzigfaches Klingeln hin hob im Büro des Bürgermeisters niemand ab.
    Mario Fratelli hatte es vorgezogen, seiner Frau und dem Schneider zu entkommen. Daher hatte er sich von seinem Büro aus direkt in Massimos Trattoria geflüchtet. Das Handy hatte er vorsichtshalber abgeschaltet. Hier im Lokal ließ er sich gebührend bemitleiden, denn es gab wohl keinen Mann, der nicht nachfühlen konnte, was es bedeutete, sein Kind zu verheiraten.
    «Die Kosten!», sagte Massimo und schwang das Geschirrtuch über seinem Kopf, um anzudeuten, welch schwindelerregende finanzielle Höhen derlei Festivitäten erreichen konnten.
    «Der Stress!», stöhnte Vito.
    «Und dann weiß man ja nie, ob es den ganzen Aufwand auch lohnt – bei der Scheidungsrate heutzutage», legte Massimo noch einmal nach, und alle Männer nickten in stillem Einverständnis. Dann schwiegen sie einträchtige zehn Sekunden lang, bis das Telefon der Trattoria klingelte und die Frau des Bürgermeisters ausrichten ließ, wenn ihr Mann nicht augenblicklich nach Hause komme, dann könne er in zehn Tagen nicht nur die Hochzeit seines Sohnes, sondern seine eigene Scheidung gleich mitfeiern.

20
    Als sich Salvatore Tarlo in dem dunklen Keller auf die Suche nach den passenden Schrauben machte, stieß er sich an einem Regal den Kopf. Etwas Schweres donnerte von oben auf ihn herunter und erschlug ihn beinahe. Später würde Salvatore sagen, Gott habe ihn quasi mit dem Kopf darauf gestoßen. «Was ist denn das für ein Ding?», schimpfte Salvatore, als er sich näher besah, was ihn da mit aller Wucht getroffen hatte. Aus einer zerrissenen Plastiktüte wickelte er eine Madonnenstatue,die beim Sturz vom Regal offensichtlich einen Teil ihres rechten Armes eingebüßt hatte und ziemlich ramponiert aussah. Salvatore hob sie hoch und besah sie sich in dem spärlichen Licht, das in den Keller vordrang.
    «Dir haben sie aber übel mitgespielt, meine Kleine», murmelte er. Auf den ersten Blick glaubte er zu erkennen, dass hinter dieser mit blauer Farbe verschandelten Statue ein Kleinod der Schnitzkunst steckte. Er besah sich die Statue von allen Seiten, ihren kunstvoll gestalteten Umhang, die zum Gebet gefalteten Händchen und die winzig gearbeiteten Füße, die unter dem Umhang hervortraten, bis er die Statue wieder in die alte Plastiktüte einwickeln und aufs Regal zurückverfrachten wollte. Da die Tüte aber zerrissen war – sie musste beim Sturz vom Regal an etwas Spitzem hängen geblieben sein   –, klemmte er sich die Madonna unter den Arm und stapfte mit ihr in die Küche des Pfarrhauses, um dort nach etwas Geeignetem zu suchen, in das er sie einwickeln konnte.
    Er fand die Küche verlassen vor. Die Signora war offenbar in Haus oder Garten unterwegs, und vom Pater war gleichfalls nichts zu sehen. Salvatore stellte die Statue auf den Tisch und begab sich auf die Suche durch die pfarramtlichen Küchenschränke. Er bemerkte nicht, dass Don Antonio inzwischen den Raum betreten hatte.
    «Was suchen Sie denn da?», fragte der Pater.
    «Oh, ich habe die Statue hier im Keller gefunden, sie ist mir quasi auf den Kopf gefallen, und nun bräuchteich etwas, um sie wieder einzuwickeln.» Er besah sich das Häufchen Elend, das ihn aus blinden Augen heraus vorwurfsvoll ansah.
    Der Pater folgte dem Blick Salvatores, und auf einmal überkam ihn Wut. Was hatte dieser Kerl eigentlich im Keller zu suchen, und was tat die Madonnenstatue auf einmal in seiner Küche?
    «Was haben Sie im Keller gemacht?», fragte der Pater.
    «Ich, äh, ich habe nach Schrauben gesucht. Und da bin ich auf das hier gestoßen.» Er deutete auf die Statue. «Ich dachte, so kannst du sie doch nicht ins Regal zurückstellen. Verstaubt ja völlig, das arme Ding. Und außerdem ist ein Stück vom Arm abgebrochen. Nun, da dachte ich, vielleicht könnte ich sie ja reparieren.»
    Der Pater blickte Salvatore Tarlo erstaunt an. «Können Sie das denn?»
    «Ja, Pater, ich bin eigentlich gelernter Schnitzer.» Salvatore drückte sich verlegen vor dem Küchenschrank herum, während der Pater begann, angespannt nachzudenken. Schließlich sagte er: «Nun, wenn Sie sich dazu bereit

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