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Das Wunder von Treviso

Das Wunder von Treviso

Titel: Das Wunder von Treviso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Falk
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Korken, klirrten Gläser und lagen sich Menschen vor Freude weinend in den Armen. Einzig Massimo verzog sich heimlich für einige Minuten in die Küche, um dort an einem alten Schwarzweißfernseher einige Blicke auf das Spiel zu erhaschen.

5
    Da sich gegen den Lärm offensichtlich nichts machen ließ und er die freudige Aufregung über die Verlobung der widerborstigen Schwester des Pfarrers beim besten Willen nicht teilen konnte, entschloss sich Francesco de Renzi zu einem abendlichen Spaziergang durch den Ort.Seinen Fahrer hatte er bis zum morgigen Tag beurlaubt, und dieser war mit Begeisterung dem melancholischen Januarwetter in Richtung Toskana entkommen, wo er zwei Tage bei seiner Schwester in der Nähe von Florenz verbringen wollte. Francesco de Renzi beschlich jetzt das dumpfe Gefühl, dass er mit der Beurlaubung des Chauffeurs einen Fehler begangen hatte, denn ohne den Wagen war er der Tristesse dieser Landschaft und der Willkür der Bewohner Trevisos vollkommen ausgeliefert. Ihm blieb also nichts anderes übrig, als bis zur Rückkehr seines Fahrers sein Schicksal Gott zu überantworten.
    Mit diesem Gedanken bog de Renzi in die Via Garibaldi ein, wo er der örtlichen Enoteca einen Besuch abzustatten gedachte. Wenn er schon einmal hier war, konnte er seinem Kardinal auch eine Flasche des vielgepriesenen hiesigen Weines mitbringen. Und der Kardinal war durchaus empfänglich für Schmeicheleien dieser Art. Doch als Francesco de Renzi vor dem Schaufenster der Enoteca stand, sah er, dass diese bereits geschlossen hatte. Er betrachtete einen Moment lang die Auslage im Geschäft, die aus einer Pyramide von Weinflaschen der Marke «Tränen der Muttergottes» bestand, und fragte sich, ob er dem Ganzen nicht doch viel früher ein Ende hätte bereiten können, als er hinter sich ein heftiges Flüstern vernahm. Er drehte sich um und sah eine alte Frau wilde Gesten in den Nachthimmel schreiben und dazu Flüche murmeln, von denen er zum Glück kein Wort verstand. Offensichtlich handelte essich um die Wahnsinnige des Ortes, und er sah zu, dass er weiterkam.
    Er setzte seinen Abendspaziergang fort und ging gerade in dem Augenblick an Vitos Haus vorbei, als zwei Arbeiter damit beschäftigt waren, eine riesige Holzkiste von einem Lastwagen zu hieven. Dabei wurden sie durch aufgebrachte Rufe des Ladenbesitzers und seiner nicht minder hysterischen Frau unterstützt, die ihnen damit offensichtlich andeuten wollten, wo das hölzerne Monstrum hinsollte. Auf der Flanke des Lastwagens glänzte in grünen Lettern die Aufschrift: «Fam. Diavolo   – Saunas und Infrarotkabinen, Milano».
    Eine Weile lang freute sich Francesco de Renzi an dem Treiben und sah heimlich vom gegenüberliegenden Hauseingang den Arbeitern dabei zu, wie sie die Kiste unbeschadet ins Haus zu bringen versuchten, aber als er Holz splittern hörte und die ersten Tränen flossen, ging er weiter. Und gerade als Francesco de Renzi über den Sinn von Infrarotlichtkabinen nachzudenken begann, entdeckte er, dass es ihn direkt auf die im nächtlichen Dunkel liegende Kirche von Treviso zutrieb. Er beschloss, sich die Gelegenheit zunutze und der weinenden Madonna von Treviso seine Aufwartung zu machen. Mit schnellen Schritten überquerte er die Straße und griff nach dem schmiedeeisernen Türknauf, der sich überraschenderweise mühelos nach links drehen ließ. Die Tür schwang auf, und Francesco de Renzi trat in das dunkle Kirchenschiff ein.

6
    Nach dem zweiten Tor in der fünfundsechzigsten Minute hatte Massimo den Ton wieder lauter gestellt, aber im Grunde interessierten sich die Leute an diesem Abend nur wenig für das Spiel. Luigi und Maria wurden alle paar Minuten mit Glückwünschen und Jubelrufen überhäuft, und nach jedem «Hoch sollen sie leben!» fühlte sich der arme Luigi genötigt, eine Lokalrunde zu spendieren. Nach der achten Runde war ihm klar, dass er das Lokal schnellstmöglich verlassen musste, wenn er nicht sein hart erarbeitetes Geld der feiernden Dorfrunde in den Rachen schmeißen wollte. Und weil er nicht genug bei sich hatte, musste er anschreiben lassen, was Massimo zu dem Ausspruch veranlasste, dass er ja seine zukünftige Frau in der Trattoria als Pfand zurücklassen könne, denn dann werde sie sich schon mal im Geschirrspülen üben, wie es sich für eine gute Hausfrau gehöre. Gerade als Maria Massimo die passende Antwort darauf geben wollte, zog Luigi sie mit sich aus dem Lokal. Draußen auf der Straße hatte sich Maria immer noch nicht

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