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Das wunderbarliche Vogel-Nest

Das wunderbarliche Vogel-Nest

Titel: Das wunderbarliche Vogel-Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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derselben Schreibstub ungern lang eingesperrt seyn wolte; und passirte in ein grosses lustiges Zimmer / worinn eine Tafel vor acht Personen gedeckt / und allerdings zugerüstet stunde / biß auff das Aufftragen; aus demselben Zimmer konte man durch ein ander Thür kommen / in das jenige / worinn der Krancke lag / massen ich seine Warterin mit ihrer Suppen dort hinein gehen sahe; Neben aber in diesem grossen Zimmer stunden zwo Weibspersonen / eine junge und eine alte / davon die junge gar betrübt und weinerlich / die alte aber etwas getröster aussahe / mich deuchte sie hätten gar einen engen und geheimen Rath miteinander / und eben selbiges sporete meinen Vorwitz an / zu hören worvon sie tractirten; Ja Mutter sagte die junge / als ich zu ihnen geschlichen war / 1000. fl. ist wol ein fein Geld / aber mich verdreust schier zu todt / daß mein alter seinem Sohn bey lebendigem Leib den Dienst übergeben; Jhr könnt nicht glauben wie schwer michs ankommt / diese so wohl bestellte Haußhaltung zu verlassen; seinethalben gilt mirs gleich / er mag sterben oder wieder gesund werden / er kan doch sonst nichts mehr als bey Tag granen und brumlen / und bey Nacht ächtzen und fartzen; Jch hab zwar offt gewünscht / es solte der Brauch seyn / wann ein alter Mann ein junges Weibsbild zur Wittib macht / und dannoch so viel an ihm ist / ihr die Jungfrauschafft noch gelassen / daß sie nach seinem Tod dessen Sohn heyrathen solte; aber was hilffts / mein Wunsch ist vergebens / wie alle Wünsche zu seyn pflegen; Unser grosser Herr solte dem Sohn den Dienst nicht so gleich gegeben / sondern ein arme Wittib besser bedacht haben / so hätte ich mich noch unterstanden / irgends einem braven Kerl / der mich wieder geheyrathet / mit Geld unter die Arme zu greiffen / und ihm durch Schmiralia an den Dienst zu helffen; welches ich leicht zu wegen zu bringen getraut / wann der Dienst nur ein halb Jahr vaciret: und ich indessen das Renthaus bewohnet hätte! Tochter antwortet die alte / du hasts zwar wol ausgesonnen gehabt / aber wer kan ihm thun daß es nicht gerathen? Du must nunmehr diß deinen Trost seyn lassen / daß du gleichwol umb 1000. Reichsthaler reicher hinein kommst / als du vor einem Jahr ausgezogen bist / diese werden dir / wann du gleich sonst nichts von mir zu hoffen / in bälde wiederumb einen wackern jungen Mann verschaffen; Ja / antwortet die Tochter / der alte ist darumb noch nicht todt / wer weiß wie lang er noch krächtzen da ligt.
    Mit dem kam beydes der Doctor und Apothecker aus deß Krancken Zimmer / und brachten so einen schlechten Trost von des Rentmeisters Genesung / daß dessen ohne das betrübte Frau überlaut zu kreischen anfieng / und wann ich nicht zuvor gehöret / was sie zu ihrer Mutter gesagt / so hätte sie mich von Grund meines Hertzens dauren müssen: Weil nun gleich der Pfarrer auch kam den Krancken zu besuchen / befahl die Rentmeisterin anzurichten; darauff wurde gleichsam Gräflich auffgetragen / dann man hatte Theologi und Medici zu tractiren / und assen und trancken sonst gern auff deß Krancken Gesundheit; am Tisch sassen der Pfarrer / der Doctor und der Apothecker / die Rentmeisterin und ihr Mutter / der neuangehende Rentmeister als Sohn und sein Schreiber und endlich noch einer den sie Herr Notari nenneten.
    Es gieng so toll und bund über Eck her / daß mir gleichsam das Hertz im Leib lachte; und zwar was hätte ich mich viel grämen sollen / da sich doch die andern umb des Krancken Hinfahrt nicht viel bekümmerten; der Sohn war so leidig umb seinen Vatter / daß er auch per Spaß den Gästen erzehlet / wie artlich der Baur mit seinem angewöhnten Sprichwort (wie es dann auch wahr ist) wäre aufgezogen kommen / darüber er mehr lachte / als ihm wol anstunde; keine Schüssel wurde abgehoben / wann man andere Speissen brachte / aus deren ich nicht meinen Part nam / und sowol die Hosen-Säck und meinen Rantzen damit füllete als mein Magen; So kam mirs auch trefflich zu statten / daß man auß zotten Kanden einschenckte / dann ich konte sie stentzen wann ich wolte / und dorffte sie deßwegen nicht einmal auffheben oder in die Hände nehmen; Jch hätte mich zwar wol mit Silbernem Bechern besacken können / aber ich sorgte / es möchte hernach Uneinigkeit zwischen den Erben setzen / und groß Unglück darauß entstehen; So hatte ich mir ohne das vorgenommen / sonst niemanden als einen Wucherer zu bestehlen / der überflüssig Geld in der Kisten hatte / und solches bey jetzigem grosser Geldmangel

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