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Das wunderbarliche Vogel-Nest

Das wunderbarliche Vogel-Nest

Titel: Das wunderbarliche Vogel-Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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nachdem ich einen Winckel gesehen / allwo ich versichert war / daß mein Naßtüchel sampt der Unsichtbarkeit dort wol verwahrt ligen bleiben würde / legte ichs hin / liesse mich sehen / und fragte nach dem Haußherrn: der stack aber noch in den Federn biß über die Ohren.
    Dieweil ich dann mehr Recht in diesem Ort wegen der Vertreulichkeit / in deren ich mit dem Apothecker stunde / mir anzumassen gewohnet war / als wann ich das Kind im Hauß gewest wäre: so weckte ich ihn auff / nam ihn in seine obere Stub / und erzehlet ihm alle Händel meines Weibs: nichts verschwiege ich ihm / als eintzig diß / daß ich mich unsichtbar machen könte: Ja ich vertrauet ihm auch meinen Anschlag / den ich vor hatte / mein Weib nicht allein mit Betrug artlich zu hintergehen / sondern ihr auch die Untreu / die sie mir zu beweisen sich vorgesetzt / mit einer andern zu bezahlen: das war nun eine gemähete Wiese vor ihn / dann er war ein solcher Compan , dems Hertz im Leibe lacht / wann er so etwas dergleichen anstellen solte helffen.
    Das erste das er thät / war diß / daß er seinem Haußgesind gebot / meine Gegenwart zu verhölen / hernach liesse er Mandlen zum Marzapan zurichten / den mein Weib bestellen würde / Bißquid / Macronen / Nürnberger Lebkuchen / und deß Dings hatte er ohne das genug im Vorrath: doch machte er meinem Weib ein dutzet Macronen zu Gefallen / ihr solche im Kauff zu verehren / die er trefflich mit Pley-Zucker vermischte / so ihren hitzigen Nieren zur Kühlung taugen solte: Es muste alles in der Apotheck arbeiten / damit ja mein Weibgen nicht verhindert würde / uns mit einem guten Schlamp zu verehren: den Marzapan zierte er überall mit flammenden Hertzen / und einem Pfeil dardurch / mit Hand-Treuen und dergleichen Phantastereyen / so die Verliebte in ihren Schilden führen / der Spruch drumb her lautet also:
Mein Lieb und Treu
Wird täglich neu!
    Und unter solchem Geschäfft erwarten er und ich der Beschliesserin mit grossem Verlangen.
    Dieselbe kam endlich über ein Stund oder anderthalbe nach mir mit ihrem Schreiben angestochen: Aber ach leyder! das arme Ding hat in der Eyl das unrechte / nemlich das jenige erwischt / worauff es lautet: An den Herrn Doctorem Louis Adolphi einzuhändigen! Der Apothecker / welcher gar ein arger Vocativus ist / sagte: Die Jungfer komme nur mit mir herein / und erbrach indessen das Schreiben / gleichsam als in der Eyl / doch also / daß er das Siegel nicht versehrte / ohnangesehen er zuvor wol wuste / und von mir erfahren / was darinn stünde: wie er nun die Uberbringerin Abweg gebracht von seinen Leuten / und im Brieff zu lesen anfangen wolte / sagte er: Ey potz Glück Jungfer / was habt ihr gemacht? Jch habe gemeynet / ihr hättet mir ein Schreiben an mich geben / so sehe ich aber wol / es gehöret einem Doctor ! Was Raths! es ist einmal erbrochen? Darüber wurde meine Beschliesserin gantz bestürtzt / und überall so roth / wie eine glüende Kohl: Ey Jungfer sagte der Apothecker / sie darff so hoch nicht erschrecken / wann sie auch eins an mich hat / so geb sie es nur immer her / ich will schon sehen / daß ich diß an den Doctor wieder zukleibe / daß ers nicht mercken soll: darauff langte sie ihm auch das auß ihrem Sack / so an ihn stunde: Er aber sagte zu ihr / damit die Jungfer sehe / daß ich ihrer Frauen Heimlichkeiten nicht zu wissen begehre / so komme sie mit mir herauff / und sehe zu / daß ich nicht einmal lesen / sondern es wieder beschliessen werde / damit sie deßwegen ausser Gefahr sey / und also brachte er sie zu mir in die obere Stub.
    Man kan wol erachten / wie das gute Mensch erschrocken sey / als sie mich so unversehens vor ihr stehen: und zugleich den Apothecker die beyde Schreiben in Händen halten sahe: dieser warff selbige auff den Tisch / und sagte / sehet Mensch / da habt ihr euren Herrn / mit dem möcht ihrs außmachen / ich hab jetzt anders zu thun / gieng darmit zur Stub hinauß / schlosse die Thür hinder ihm zu / und steckt den Schlüssel in Sack.
    Jch weiß nicht / wer im Anfang unter uns beyden mit dem andern am mehristen zu schaffen gehabt? Sie mit mir / mich umb Verzeyhung zu bitten / oder ich mit ihr sie zu trösten? Nachdem sie aber wieder ein wenig zu ihr selbst kommen war / stellte ich ihr beydes meines Weibs / und ihr eygen Verbrechen vor Augen / und hielte ihr vor / daß jenes den Tod / das ihrig aber auffs wenigst die Außsteupung verdienet hätte: doch könte ich beyden / wann ich die Würckung der Liebe bedencken wolte /

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