Das Yakuza-Mal
die
Wasseroberfläche an die Luft. Er blies das Wasser aus der Scheide und atmete zum erstenmal durch die Scheide, die ihm jetzt als Schnorchel diente.
Erleichtert stellte er fest, daß er damit gut atmen konnte.
Osgood beobachtete, wie die anderen ins Wasser glitten. Mulvaney schien ein recht guter Schwimmer zu sein, denn er konnte ihn nicht von den Ninjas unterscheiden. Nobunaga schwamm jetzt ungefähr 30 Zentimeter unter der Wasseroberfläche. Osgood schwamm weniger als einen Meter hinter ihm. Hier im dichten Nebel die Orientierung zu verlieren, noch dazu ohne Kompaß, bedeutete den sicheren Tod, entweder durch Unterkühlung oder Ertrinken. Und selbst ein Kompaß hätte wenig genutzt, denn die »kleine Insel« war so winzig, daß ein Schwimmer sie schon durch den kleinsten Irrtum verfehlen würde. Jede halbe Minute mußte Osgood mit der Hand die Schwertscheide zurechtrücken. Er tat es mit der linken Hand, wie man es ihm gesagt hatte. Aber dieses Manöver unterbrach seine
Schwimmbewegungen und machte das
Schwimmen noch anstrengender.
In der eisigen Kälte war sein Körper fast empfindungslos geworden. Das Gefühl der Betäubung wurde nur durch den schnell nachlassenden Wärmerest in seiner Körpermitte und durch die Anstrengungen des Schwimmens selbst abgemildert. Vor ihrem Aufbruch hatte er aufgrund logischer und rationaler Überlegungen abgeschätzt, wie lange sie brauchen würden, um zu der Insel zu schwimmen. Jetzt versuchte er nicht einmal mehr, einen Blick auf seine Rolex zu werfen.
Schon diese zusätzliche Anstrengung war ihm zuviel.
Er nahm längst nicht mehr wahr, daß er den Griff der katana mit der rechten Faust umklammert hielt.
Er wußte nur, daß seine Finger etwas umklammerten und daß es absolut notwendig war, dieses Etwas festzuhalten.
Er schwamm weiter. Die Entfernung zwischen ihm und Nobunaga nahm fast unmerklich zu, aber er konnte ihn immer noch verschwommen erkennen.
Er verspürte den Wunsch, sich umzudrehen und nachzuprüfen, ob die anderen immer noch hinter ihm waren, ob er nicht einfach einem Phantom hinterherschwamm, das nur in seiner Phantasie existierte.
Nobunaga - Osgood verlor ihn einen Moment lang aus den Augen, und eine ungeheure Kälte ergriff ihn, eine Kälte, die von ihm selbst ausging: Panik. Dann spürte er, daß das Wasser unter ihm seichter wurde, und schwamm schneller. Plötzlich spürte er auch seine Hand wieder, die das katana hielt. Sein Kopf tauchte auf, er nahm die Schwertscheide aus dem Mund und holte zu weiten Armbewegungen aus, bis er mit den Armen auf Grund stieß. Er stützte sich zuerst mit den Armen, dann mit den Knien auf und streckte den Kopf weiter aus dem Wasser. Dann zog er die Taucherbrille ab und zwinkerte mit den Augen.
Wasser rann ihm aus dem Haar. Er nahm eine dunkle Gestalt wahr, schwach sichtbar in der schwarzen Nacht. Sie watete durch die silbrigglänzende Brandung. Nobunaga. Osgood lief mit gezogenem Schwert schräg die Brandung entlang hinter Nobunaga her. Der Führer verschwand hinter den Felsen, die ebenso schwarz schienen wie die Kälteschutzanzüge und die Nacht.
Osgood folgte ihm und merkte plötzlich, daß ihm Nobunaga auf die Schulter tippte und ihm bedeutete, sich zu ducken. Osgood kauerte sich auf den Boden. Nobunaga machte Handzeichen, aber nicht die Handzeichen für
Truppenbewegungen, die Tsukahira Ryoichi ihm und Mulvaney beigebracht hatte, sondern einfache Handbewegungen, die er sofort verstand. Zur Bestätigung tippte er Nobunaga zweimal auf die Schulter.
Zu beiden Seiten des Küstenabschnitts war jeweils ein Wachtposten aufgestellt. Nobunaga ging nach rechts, Osgood nach links. Er rannte wieder durch die Brandung, durch den Sand, schließlich drängte er sich dicht an den Felsen entlang.
Osgood wußte, daß die Wachtposten ihn nicht sehen konnten und daß sie keine richtigen Ninjas waren. Er zwang sich zum Weitergehen. Wo war Mulvaney?
Falls Mulvaney das Schwimmen nicht überlebt hatte, schwor sich Osgood, würde er selbst Andy Oakwood finden und retten - wenn sie noch lebte.
Auch wenn es sein eigenes Leben kostete. Atemlos erreichte er das Ende der Felswand, die steil aus dem Meer ragte.
Die Felsen waren glitschig, glattpoliert vom Meerwasser, das sich seit Jahrhunderten, Jahrtausenden an diesen Felsen brach. Es schien unmöglich, daran hinaufzuklettern. Und irgendwo da oben stand der Wachtposten.
Osgood steckte die leere Scheide in seinen Bleigürtel. Das katana steckte er in den Sand, wickelte die Schnur auf,
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