Das Yakuza-Mal
die um den Griff gewunden war, und stieg mit dem rechten Fuß auf das übergroße, rechteckige Stichblatt des Schwerts.
Seine Hände suchten auf den glatten Felsen nach Halt. Die Schnur, deren eines Ende noch am Griff des Schwertes befestigt war, hatte er sich mehrmals um den rechten Daumen gewickelt.
Endlich fand er eine Stelle, an der er sich festhalten konnte, und zog sich unter großer Anstrengung nach oben. Seine Finger schmerzten. Mit dem linken Fuß fand er einen Felsspalt und zog sich vollends auf die glitschige Oberfläche des Felsens.
Nun mußte er das Schwert heraufhieven. Es durfte nicht über den Felsen scharren. Niemand hatte ihm dafür die Technik beigebracht.
Er nahm an, daß er das Schwert mit einer schnellen und flüssigen Bewegung heraufziehen mußte. Solche Bewegungen waren das Markenzeichen der Ninjas. Osgood riß die rechte Hand ruckartig nach oben. Erst als er nach dem Schwert griff, wurde ihm bewußt, daß die Klinge scharf genug war, um ihm einen Finger abzutrennen, wenn er die Waffe nicht richtig zu fassen bekam. Seine Fingerspitzen berührten die stählerne Klinge; er packte zu, zog das Schwert langsam zu sich her und achtete darauf, daß es nicht über den Felsen schabte. Behutsam und lautlos steckte er das katana in die Scheide und glitt langsam über den Felsen vorwärts. Er konnte niemanden sehen.
Wie fand man einen Geist?
Osgood hielt den Atem an.
Man hatte ihm beigebracht, daß Bewegungen verräterisch sind. Er zwang sich zu regelmäßigem Atmen, drehte Kopf und Augen nur ganz langsam.
Er zählte die Sekunden.
Bewegung. Verrat. Vor dem dunklen Himmel machte er einen noch dunkleren Fleck aus, knapp 50 Meter rechts von ihm. Ganz langsam schob er sich hoch, drückte sich nach links an den Felsen entlang. Plötzlich spürte er Sand unter seinen Füßen. Eine zweite Chance würde er nicht bekommen. Jetzt konnte er seinen Gegner nicht einmal mehr sehen. Er kroch blind vorwärts, die rechte Hand am Schwertgriff fest gegen das rechteckige tsuba gedrückt.
Bewegung. Verrat. Zehn Meter vom Gegner entfernt. Osgood stürmte nach vorne, zog sein Schwert aus der Scheide, Stahl blitzte silbern vor ihm auf. Er griff an, sein Gegner parierte, so daß sich ihre Schwerter ineinander verkeilten. Der Mann wich nach rechts aus, Osgood trat einen Schritt zurück, damit sein Gegner seinem Schwerthieb nicht ausweichen und einen Gegenangriff starten konnte.
Ihre Klingen waren einen Moment lang gekreuzt, dann spürte Osgood, daß der Gegendruck nachließ und wich sofort zurück. Die Klinge seines Gegners sauste wenige Zentimeter vor seiner Kehle durch die Luft. Sein Atem stockte. Der Ninja Tsukiyama Kojis wirbelte herum, griff an, Osgood parierte, drängte die Klinge des Ninjas beiseite und wirbelte einmal um die eigene Achse. Dann holte er aus und hieb nach unten. Stahl krachte gegen Stahl.
Osgood wich nach hinten aus, ihre Schwerter berührten sich an den Spitzen. Der Ninja sprang hoch in die Luft. Da seine Bewegungen bisher alle linksorientiert gewesen waren, wich Osgood jetzt nach rechts aus. Der Ninja fiel weniger als einen Meter von ihm entfernt in den Sand. Eine einzigartige Chance, vielleicht sogar seine einzige.
Osgood riß sein katana auf Schulterhöhe, mit der Schneide nach oben, drehte die Klinge um, holte aus und wirbelte herum. Die Klinge stieß einen Moment lang auf Widerstand und drang dann ein.
Der Körper des Ninjas sackte zusammen. Osgood ging auf ihn zu und schwang das Schwert über den Hals und die Brust des Ninjas. Sein Gegner war tot.
Er verspürte einen Brechreiz - nicht wegen der Tat selbst, sondern weil er nicht richtig durchgeatmet hatte. Er steckte das Schwert in den Sand, stützte sich kurz darauf und ruhte aus.
Plötzlich war die Kälte wieder da, nicht die Kälte der Angst, sondern die Kälte seiner nassen Kleidung.
Er zitterte, als er das Schwert aus dem Sand zog.
Etwas berührte ihn von hinten an der Schulter, und er wirbelte herum. Aber es war nur Nobunaga, der ihm zuflüsterte: »Gut gemacht, Os-good-san!«
Osgood folgte Nobunaga durch die Dunkelheit.
In einer Mulde in den Felsen standen zwei Ninjas, die immer noch ihre Kälteschutzanzüge trugen. Sie hielten ein schwarzes Tuch, hinter dem sich die anderen umzogen. Dies geschah nicht aus Schamhaftigkeit, sondern um ihre helle Haut zu verdecken. Osgood trat hinter das Tuch. Er zog den Kälteschutzanzug aus und trocknete sich ab.
Er fror stärker als je zuvor. Eilig zog er sich den Pullover über den Kopf,
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