Das Yakuza-Mal
Minuten trat der Genin, der mit Nobunaga zuerst über den Strand gelaufen war, auf Nobunaga zu. Sie sprachen kurz miteinander.
Osgood zuckte mit den Achseln, trat auf die beiden zu und fragte auf Japanisch: »Sollten sich die beiden, die Sie vorausgeschickt haben, hier wieder mit uns treffen?«
»Ja, Osgood-san. Daß die beiden nicht an der verabredeten Stelle sind, gefällt mir gar nicht.«
»Sollte dann nicht jemand nachsehen, was mit ihnen geschehen
sein könnte?«
»Osgood-san, wir dürfen uns nicht weiter aufsplittern. Wenn sie
auf Widerstand gestoßen sind, werden wir vielleicht alle unsere Kräfte brauchen, um diesen Widerstand zu überwinden.«
»Ja, Nobunaga, sehr weise. Darf ich mich anbieten, hinter Ihnen zu gehen?«
»Ja, Osgood-san. Ihr Angebot ist mir eine große Ehre. Diese Sache mit Mulvaney ist sehr bedauerlich. Aber er hat mir keine andere Wahl gelassen.«
»Kann ich unter vier Augen mit Ihnen sprechen, Nobunaga?«
Das Gesicht des Japaners bekam einen Moment lang einen harten Ausdruck. Dann entließ er seinen Genin. »Ich vertraue dem Mann, den ich gerade weggeschickt habe.«
»Ich möchte mit Ihnen über Mulvaney sprechen und darüber, warum er das gesagt hat. Er hat es absichtlich gesagt, Nobunaga.
Er hat in Vietnam tapfer gekämpft. Er verbrachte viele Tage lang von seiner Truppe getrennt im Dschungel und konnte keine Feuerwaffen benutzen. Das hätte seinen Tod oder Gefangennahme bedeutet. Darum hat er nur sein Messer benutzt. Mulvaney hat mir etwas anvertraut, worüber ich nicht sprechen würde, wenn es die Umstände nicht erforderten.«
»Begehen Sie keinen Vertrauensbruch, Osgood-san!«
»Er hat mich nicht verpflichtet zu schweigen.
Mulvaney warf sich von einem Baum herunter auf einen Vietcong und tötete ihn mit seinem Messer.
Erst danach bemerkte er, daß dieser Vietcong eine Frau und daß sie schwanger war.«
Nobunagas Augen verhärteten sich. Er senkte die Stimme noch mehr und flüsterte ihm zu : »Das also lastet Mulvaney-san auf der Seele.«
»Ja. Deshalb will er auch nicht mit einer Klinge kämpfen. Ich habe mit ihm gekämpft. Er ist ein Mann von außerordentlichem Mut und Kühnheit. Er hat bewußt sein Leben aufs Spiel gesetzt, um mich zu retten. Aber wenn er eine Klinge benutzen soll, durchlebt er jedesmal aufs neue den Moment, als er entdeckte, was er getan hatte. Das raubt ihm den Mut und den Willen. Er hat gegen die Entscheidung aufbegehrt, die Sie getroffen haben, indem Sie den Stock wegwarfen, da er gehofft hatte, mit dem Stock kämpfen zu können und so nicht das katana und das shoto benutzen zu müssen. Sie haben ihn in eine Position gebracht, in der er gezwungen sein wird, eine Wand einzureißen - eine Wand wie die, vor der wir jetzt stehen. Er hat diese Wand selbst errichtet, um nicht den Verstand zu verlieren. Sollten Sie noch nie etwas getan haben, das Sie hinterher bereuten, dann dürfen Sie sich in der Tat glücklich schätzen.
Aber Sie dürfen nicht vergessen, daß Sie noch sehr jung sind.«
Nobunagas Augen strahlten, aber der Rest seines Gesichts lächelte nicht. »Osgood-san sollte Japaner sein.« Dann schüttelte der junge Mann den Kopf. »Vielleicht kommen Mulvaney-san oder ich selbst ums Leben. Mulvaney-san hat aus dieser Angelegenheit eine Ehrensache gemacht. Darüber kann man nicht hinwegsehen, Osgood-san.«
Osgood nickte zustimmend und sagte: »Aber zumindest wissen Sie jetzt Bescheid.«
»Ja, Osgood-san. Gehen wir.« Er zeigte auf die Stufen und stieg hinauf; Osgood folgte ihm. Auf dem ersten Treppenabsatz warf Osgood einen Blick nach unten. Der Steinblock, auf dem er stand, war ungefähr 60 Zentimeter lang und 40 Zentimeter breit. Mulvaney kam ebenfalls bereits die Treppe herauf. Osgood ging vorsichtig weiter. Das System der Stufen und Treppenabsätze kam ihm endlos vor. Oberhalb und unterhalb sah er nichts als Finsternis. Ihn überkam ein Gefühl der Verlorenheit, wie er es zuvor noch nie erlebt hatte. Osgood hatte auf seine Uhr geblickt, bevor sie den Treppenaufstieg begonnen hatten. Jetzt schaute er erneut auf seine Uhr. Der Aufstieg dauerte nun schon eine Viertelstunde. Sie mußten bereits über hundert Meter zurückgelegt haben. Das Lachen kam von oben aus der Finsternis. Nobunaga blieb wie versteinert stehen. Das Lachen verstummte.
Kurz darauf erklang von oben eine Stimme.
Niemand brauchte Osgood zu sagen, daß das Tsukiyama Kojis Stimme war. Er stand irgendwo da oben in der Dunkelheit und sprach mit ihnen. »Das Alter hat den
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