Das Yakuza-Mal
geraucht. Der Anstand gebot es, zumindest vorher höflich zu fragen, wenn er sich als erster eine Zigarette ansteckte. Daher murmelte Osgood: »O-saki ni«, als er eine Zigarette aus dem Etui nahm und sie anzündete.
Die Leute lächelten ihn an und sagten Dinge zu ihm, die er nicht verstand. Er lächelte zurück.
Mulvaney erinnerte sich plötzlich daran, daß er einmal vor etlichen Jahren einen
Auslieferungsbefehl hatte ausführen müssen. Die Polizisten einer kleinen Stadt in Georgia hatten einen Kerl geschnappt, der wegen
Vergewaltigungen und einer Reihe von Einbrüchen in Chicago gesucht wurde. Die Papiere, die Mulvaney mitgebracht hatte, wiesen Formfehler auf; er hatte deshalb drei Tage in der kleinen Stadt auf die neuen Papiere warten müssen. Damals war ihm ähnlich zumute gewesen. Jeder hatte ihn angelächelt, als sei er ein Bruder, der nach langen Jahren der Verschollenheit wieder aufgetaucht war.
Er hatte das als recht enervierend empfunden.
Dern war zum Flughafen in Chicago gekommen und hatte ihm die letzten Instruktionen gegeben.
Dern hatte ihm erklärt, daß Sergeant Oakwood ihn am Einreiseschalter abholen würde. Weitere Erklärungen hatte es nicht gegeben.
Der Flug war zwar nicht turbulent gewesen, aber er hatte trotzdem kaum ein Auge zugemacht. An Bord hatte es amerikanisches Essen mit japanischem Einschlag gegeben - wirklich nicht schlecht, aber er hatte in Flugzeugen noch nie richtig gut essen können. Und nun wartete er schon seit zwanzig Minuten auf dem Flugplatz in Tokio.
Aus seinen Tagen bei den Spezialeinheiten in Vietnam kannte sich Mulvaney im
Spionagegeschäft gut genug aus, um zu wissen, daß ein Kontaktmann, der zu spät kam, ein schlechter Kontaktmann war. Aber noch schlimmer war, daß er keine Ahnung hatte, wie er Oakwood erkennen sollte. Dern hatte ihm lapidar erklärt:
»Oakwood wird Sie schon erkennen.« Dann hatte er ihm seinen Paß und sein Visum ausgehändigt und ihm viel Glück gewünscht.
Mulvaney starrte dieses wunderschöne Mädchen nun schon seit zwanzig Minuten an. Er starrte sie eigentlich schon seit dem Moment an, in dem er sie entdeckt hatte. Wunderbarerweise starrte sie zurück. Sie war groß und hatte eine gute Figur -
soweit er das beurteilen konnte, denn statt eines Wintermantels trug sie eine Art Wollponcho. Ihr Haar war rotbraun, schulterlang und nach innen gerollt, wie man es bei Frauen oft sieht. (Er hatte sich immer gewundert, wie diese Innenrolle hielt.
Seine Exfrau hatte ihr Haar nie so getragen; das Rätsel war daher noch immer nicht gelöst.) Aus der Entfernung meinte er ein paar Sommersprossen ausmachen zu können. Sie trug einen dunkelbraunen Rock oder ein Kleid unter dem Poncho. Der Saum befand sich knapp oberhalb ihrer Knöchel. Dazu trug sie hochhackige Stiefel.
Jetzt kam sie auf ihn zu und sagte: »Sie heißen Mulvaney, stimmt's?« »Stimmt.«
»Was ist mit Ihnen los? Haben Sie Ihren Satz vergessen?« Sie hatte eine angenehme, kehlige Altstimme. »Was für einen Satz?« fragte er. »Das Codewort.«
»Dern hat mir nichts von einem verdammten Codewort gesagt. Wer - sind Sie Oakwoods Herzblatt? Das müssen Sie falsch verstanden haben, Schätzchen.« Es wäre schade, wenn sie Sergeant Oakwood gehörte. Er wünschte sich, daß sie statt dessen ihm gehörte. »Sie kennen das Codewort nicht? Und Sie denken, ich gehöre jemandem?«
»Na ja ... was ... Sie arbeiten mit Sergeant Oakwood zusammen?«
»Sie wissen wirklich verdammt wenig. Wie soll ich wissen, daß Sie wirklich Mulvaney sind und nicht irgendein abgebrannter Typ in schäbigen Kleidern, den sie als seinen Doppelgänger hierhergeschickt haben?«
»Sie haben mich doch so genannt«, erwiderte er.
»Also ...« Er fragte sich, ob Oakwood ein Foto von ihm besaß und wer es ihr gegeben hatte.
»Verdammt«, sagte sie und tappte mit der Spitze ihres rechten Stiefels auf den Boden.
»Hören Sie, haben Sie einen Kerl namens Koswalski gekannt?« Sie sah ihn durchdringend an und fragte: »Was wissen Sie über Koswalski?«
»Er hatte Pech.«
»Ich heiße Andy Oakwood.«
Er starrte sie verblüfft an.
Sie nannte ihren Namen noch einmal, aber jetzt mit leiserer Stimme. »Andrea Louise Oakwood, Sergeant First Class.«
»Heiliger Kakalorus!«
»Kommen Sie jetzt. Wir können zusammen gehen - unsere Kontaktaufnahme hätte genauso gut im Fernsehen übertragen werden können.« Er nahm seine Taschen und ging hinter ihr her. Die Flughafengäste machten ihr wie von selbst Platz.
Er war jetzt auf
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